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Mythica Bd. 5 - Göttin der Rosen

Mythica Bd. 5 - Göttin der Rosen

Titel: Mythica Bd. 5 - Göttin der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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Angst.
    Die Zweite Korintherin sah Mikki direkt an, während sie sprach:
»Frauen hassen Krieg, aber Männer werden ihn immer wieder führen.
Frauen mögen ihre Männer hassen, und Söhne ihre Väter,
aber Frauen werden nie ihre eigenen Kinder hassen.«
    Mikki las die Worte auf dem Skript mit, als die erste Frau mit vor Emotionen zitternder Stimme fortfuhr:
»Doch ich werde meinem Mann treu dienen,
ich werde meine Söhne und Töchter lieben und die
Götter ehren.«
    Vom Rand der Bühne zeigte Cio auf sie, und wie ein Pferd, dem man die Sporen gibt, stürzte sie sich in Medeas Text.
»Schweiget still, ihr Frauen.
Ihr kamt zu mir, um zu sehen, wie die Barbarin
Untreue vergilt;
Schaut her, und ihr werdet es erfahren.«
    Auf dem Skript stand an dieser Stelle: (Medea kniet nieder und betet) . Mikki warf Cio einen fragenden Blick zu, und als er nickte und auf den Boden der Bühne deutete, nahm sie einen tiefen Atemzug, kniete sich hin und begann die Beschwörung zu lesen.
»Nicht umsonst verehre ich die ungezähmte graue
Göttin, die im Dunkeln lebt, die weise Göttin,
die über die Wege der Menschen herrscht, über wilde
Bestien und geheime Magie,
o Hekate, süße Blume des Schwarzen Mondes!«
    Während Mikki sprach, gewann ihre Stimme an Kraft, und der kleine Funke, den die Worte der Ersten Korintherin in ihrem Herzen entzündet hatten, breitete sich in ihrem ganzen Körper aus. Erregung schoss wie Adrenalin durch ihre Venen, und mit jedem Wort wurde ihre Stimme klarer und mitreißender. Hätte sie den Regisseur angeschaut, hätte sie sehen können, wie er an seinem Soundboard fieberhaft alle möglichen Schalter umlegte und Knöpfe drückte. Hätte sie die anderen Schauspielerinnen angeschaut, hätte sie gesehen, wie sich das leicht amüsierte Lächeln jeder Einzelnen in Erstaunen und Schock verwandelte. Doch Mikkis ganze Aufmerksamkeit galt dem Skript und den Worten, die plötzlich auf der Seite aufleuchteten, als hätte ihre Stimme sie zum Leben erweckt.
»O Königin der Nacht, erhöre das Gebet deiner
fehlgeleiteten Priesterin.
Vergib mir, dass ich von Deinem Weg abgekommen bin.«
    Mikki stockte. Der kleine Schnitt unter dem Pflaster in ihrer Handfläche pochte schmerzhaft, und sie hatte ein Rauschen in den Ohren, das an einen tosenden Wasserfall erinnerte. Der Abendwind, der gerade eben noch sanft und kühl gewesen war, peitschte ihr ins Gesicht und riss an ihren Haaren, als stände er – genau wie ihr Körper – unter Strom. Mit dem Wind wehte ihr der ungewöhnliche Duft des Parfüms, das sie auf ihre Pulspunkte geträufelt hatte, in die Nase und erfüllte ihre Sinne. Mikki atmete tief ein. Rose, Gewürz und Hitze. Überwältigt vom unvergleichlichen Aroma des Öls, verschwammen die leuchtenden Worte des Skripts vor ihren Augen, bis sie sie nicht mehr sehen konnte. Aber das spielte keine Rolle. Es war unglaublich, unmöglich , doch sie hörte die Verse in ihrem Kopf, und mit einem Schluchzen öffnete sie den Mund und schrie die Worte, die durch ihre Gedanken hallten, in die Nacht hinaus.
»Ich rufe Dich an, Hekate, bei dem Blut, das durch meine
Venen fließt,
ich bitte Dich, mich wieder in Deinen Dienst und Dein Reich aufzunehmen,
auf dass ich mich an die Gabe der Blutmagie erinnern möge und
an die reine Schönheit, die sich das Reich der Rose nennt.«
    Ein lautes Brüllen zerriss die Nacht und dröhnte so laut in Mikkis Ohren, dass ihr schwindlig wurde. Sie blinzelte den Tränenschleier vor ihren Augen weg und sah sich um, als wäre sie gerade aus einem Traum erwacht.
    Verdammt nochmal! Ich hab eine meiner psychotischen Episoden! Fieberhaft versuchte Mikki, sich daran zu erinnern, warum sie von grellen Lichtern und einer Gruppe von Frauen umgeben war, die sie alle mit offenem Mund anstarrten. Das Theaterstück! So ein Mist! Mikki warf schnell einen Blick auf das Skript, das sie immer noch in ihren verschwitzten, zitternden Fingern hielt. Die Worte, die dort schwarz auf weiß geschrieben standen, ergaben keinen Sinn. Sie hatte etwas ganz anderes gesagt. Was, zum Teufel, war mit ihr passiert?
    Hinter ihr klatschte jemand dreimal betont in die Hände.
    »Wow, was für ein Improvisationstalent. Wirklich ergreifend.« Die Stimme triefte vor Sarkasmus.
    Gerade hatte Mikki sich mit Mühe und Not aufgerichtet, da baute sich eine kleine, attraktive Frau in einer goldenen Toga und einer langen, dunklen Perücke vor ihr auf.
    »Aber jetzt ist der Star wieder da. Also gib mir mein Mikro zurück und zisch ab.«
    Mikki

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