Mythor - 023 - Befehle aus der Schattenzone
Bediensteten erwachten gerade.
Auf dem Burghof waren in der Nacht einige Karren angekommen. Die Ladung war mit Planen bedeckt, dennoch gut erkennbar: Holz. Mythor erkannte auf den ersten Blick erstklassiges trockenes Brennholz. Es waren keine feuchten Scheite, die stark qualmten und das Opfer einer Verbrennung erstickten, bevor die ersten Flammen den Leib erreichten. Jemand setzte die Hinrichtung mit grässlicher Zielstrebigkeit ins Werk, und Mythor ahnte, wer der Jemand war, der sich solche Mühe gab.
Durch das offene Burgtor spähte er hinaus ins Freie. Burg Anbur war umgeben von zahlreichen Zelten und Buden. Dort feierte das Volk der Umgebung, und heute waren besonders viele Zelte zu sehen. Das Schauspiel wollte sich niemand entgehen lassen.
»Ich möchte wissen, wozu wir sie vor der Knute der Caer retten«, murmelte Mythor bitter.
Er stieg die Treppe hinauf. Unterwegs wurde es ein wenig lauter. Im großen Saal waren schon wieder oder noch immer alle versammelt.
Als Mythor die Tür öffnete, schlug ihm eine Dunstwolke entgegen, die nach Alkohol, Männer- und Pferdeschweiß, schwülen Parfüms und dem Geruch des im Kamin brennenden Holzes roch.
»Ah, Mythor!« rief Graf Corian. Er hatte ziemlich gezecht, hielt sich aber noch wacker auf den Beinen. »Wir haben dich vermisst. Du solltest an unserem Frühstück teilnehmen. Setz dich zu mir.«
Corian bedeutete Mythor, zu seiner Linken Platz zu nehmen.
»Graf Codgin hat mir vorgeschlagen, dich einzuladen«, sagte Corian. »Wir verstehen uns prächtig, nicht wahr?«
Codgin grinste widerwärtig. Er hob den Humpen.
»Auf die Gesundheit des Mannes Mythor«, sagte er hinterhältig. Er musste wissen, dass seine verstrolchten Sprösslinge Mythor überfallen hatten. Sie lagen neben ihrem Vater am Boden, jeder eine Magd im Arm und im Vollrausch schnarchend.
»Er soll leben und natürlich auch seine Freunde!«
Mythors Backenknochen traten stark hervor, als er die Zähne zusammen presste. Seine Hand ballte sich zur Faust. Es fehlte nicht viel, und er hätte in rasender Wut den Hohn des Grafen mit einem Schlag beantwortet, der dem unbehelmten Codgin die Hirnschale zertrümmert hätte.
Mythor schluckte, griff dann nach dem Humpen in seiner Nähe. »Ich danke, Graf«, sagte er. Er hob den Becher hoch, sah ihn an und lächelte breit. »Und, du wirst mir darin recht geben, Graf Codgin, meinen Feinden das Ende, das sie verdienen.«
Codgin war damit nicht sehr zu treffen. Im Hintergrund zeigte Ryson de Freyn ein boshaftes Grinsen.
Mythor leerte den Pokal in einem Zug.
»Oh«, sagte Cerian. »Du hast wahrhaftig Durst.«
»Heiß wird ihm geworden sein, hehehe!« meckerte Ryson de Freyn.
Noch einer hatte die Szene scharf ins Auge gefasst. Sehr weit im Hintergrund und außer Mythor als einziger noch nüchtern, stand Jamis von Dhuannin und sah Mythor zu. Sein Gesicht war zu einer steinernen Maske gefroren. Keinerlei Gemütsregung war darin zu erkennen.
»Möchtest du etwas essen?« fragte Codgin lauernd. »Gebratene Eier? Schweinebraten? Geröstetes Rind?«
Er fragte mit Bedacht. Er wusste, dass die Wunde offen war, und er scheute sich nicht, darin zu wühlen. Graf Codgin wollte weh tun, und er verstand sein boshaftes Handwerk.
»Warum so zurückhaltend?« fragte er niederträchtig. »Steht dir der Sinn nicht nach Scharfgewürztem?«
Der Zuschauer im Hintergrund sah, wie Mythor ein unförmiges Etwas fallen ließ, das vor wenigen Augenblicken noch ein silberner Pokal gewesen war.
»Ich esse später«, stieß Mythor hervor. Sein Gesicht war milchweiß geworden.
»Die Nebel lichten sich«, rief einer vom Fenster. »Auf dem Hof strömt das Volk zusammen.«
Graf Corian beugte sich zu Mythor. »Wir haben den Ort der Verbrennung geändert«, sagte er vertraulich. »Das Volk soll sehen können, was mit Übeltätern geschieht, die unsere Gassen überfallen. Und auf den Burghof passen nicht so viele. Es ist wegen der Abschreckung, weißt du.«
»Ich verstehe«, sagte Mythor, mühsam beherrscht. »Du hoffst, dass es nach dieser Hinrichtung keine weiteren mehr geben wird, weil keiner es mehr wagt, die Hand nach einem Ugalier oder seiner Habe auszustrecken.«
»Hahaha!« lachte Graf Corian. »Ein guter Witz. Dann wären ja meine Folterkammern ohne Wert, und was sollten die Knechte und die Scharfrichter dann noch tun?«
»Gehen wir!« rief Graf Codgin. »Ich will keinen Augenblick von dem Schauspiel versäumen.«
Die Versammlung verließ geschlossen den Saal. Nur die
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