Mythor - 034 - Drachenflug
förmlich an diesen Gedanken. Denn das Wissen, dass der furchtbare Drache wieder ins Leben zurückkehrte, war zu schlimm.
*
Mythor hatte sich wieder halbwegs beruhigt. Es schien immer mehr, als gewinne der Schatten in ihm die Oberhand. Die Kräfte des Kriegers begannen zu erlahmen. Es musste dringend etwas geschehen.
Mistra sah ihn aus ihren großen Augen kummervoll an, dann wandte sie sich um und verließ das Zimmer. Im Augenblick war Mythor ruhig und benötigte keine direkte Hilfe. Sie trat nach draußen und ließ sich an den Trittsteinen der Hauswand hinab. Es war eine anstrengende Sache gewesen, Mythor hier heraufzubringen, aber unter den leerstehenden Häusern war dies das niedrigste gewesen. Nur dem Cran und in dieser Rash dem Weißen Großen stand es zu, ebenerdig zu wohnen.
Noch während sie zwischen Himmel und Erde stand, begann die Wand zu zittern. Erschrocken krallte die junge Frau sich mit den Händen an einem der höheren Trittsteine fest. Ein Erdbeben?
Die ersten leichten Erschütterungen hatte sie in ihrer Sorge um Mythor nicht einmal richtig wahrgenommen. Jetzt aber bekam sie zu spüren, dass etwas Befremdliches vorging.
Sekundenlang war sie in Gefahr, abzustürzen, weil der Stein ihr förmlich aus den Fingern glitt, aber sie schaffte es, den Griff zu verstärken, sich festzuklammern. Dann ließen die Erschütterungen wieder nach.
Mistra eilte nach unten, so schnell es ging. Sie war froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Auch wenn die Wohnung, in die man Mythor gebracht hatte, nicht höher lag als zweieinhalb Mannslängen, konnte man bei unglücklichem Sturz doch erheblich verletzt werden.
Sie sah nach oben. Plötzlich schien Mythor unerreichbar fern. Zur Gänze hatte sich der Boden noch nicht beruhigt; unter ihren Füßen spürte sie die leichten Bewegungen.
Einen Moment noch zögerte sie. Dann setzte sie sich wieder in Bewegung und eilte zum Haus des Cran. Sie wollte zu Dreifingerauge. Mythor musste geholfen werden, um jeden Preis!
Aber noch ehe sie das Haus erreichte, geschah etwas Ungeheuerliches. Mistra sah es als erste. Sie wollte schreien, aber das Entsetzen lähmte ihr die Stimme.
Etwa dreihundert Schritt entfernt begann ein Speichersilo zu schwanken und kippte.
*
Cran Achad sprang auf, als das Getöse aufdonnerte. Es klang, als breche der ganze Tafelberg in sich zusammen. Mit ein paar Schritten war der Cran an der Tür. »Ein Lärm wie von einem Dutzend volltrunkener Helleber«, knurrte er und sprang ins Freie. Das Entsetzen verschlug ihm den Atem.
Er sah gerade noch, wie einer der Silos in einer Wolke aus Staub und Steinen zusammensank. Er musste gekippt sein und war dann in sich zusammengefallen. Vereinzelte Mauerbrocken und Steinreste flogen durch die Luft.
»Das darf nicht wahr sein«, murmelte der Cran.
Auch andere Schurketen, Männer, Frauen und Kinder, eilten ins Freie. Es war schon fast dunkel, aber das Licht einiger Fackeln ließ die Staubwolke wie ein riesiges, wallendes Gespenst erscheinen. Aufgeregte Stimmen redeten durcheinander. Langsam legte sich die Wolke und gab die Trümmer des Silos frei, die die Straße jetzt vollkommen versperrten. Dazwischen waren hier und dort geschnürte Bündel des getrockneten Steppengrases zu sehen. Der Silo war voll gewesen, aber der Cran wusste, dass dieses Heu verloren war. Durchsetzt mit Mörtel und Steinstaub, war es den Grommen als Nahrung nicht zuzumuten. Und die Schurketen hatten wahrlich anderes zu tun, als das Heu auszudreschen, um es von den Staubresten zu befreien.
Achad stapfte auf die Trümmer zu und begann, durch sie hindurchzusteigen. Er wollte das Fundament in Augenschein nehmen, auf dem der Speicherturm gestanden hatte. Als er den aufgerissenen Boden sah, wurde ihm klar, weshalb der Silo umgekippt war. Die Felsplatte war an dieser Stelle gespalten und hatte sich gehoben.
Achad schluckte eine Verwünschung hinunter und kehrte zurück. Ein paar Männer waren herangekommen. »Schafft die Trümmer fort!« befahl Achad. »Die Steine und Mauerreste, die noch einigermaßen erhalten sind, sammelt an einer freien Stelle, den Rest werft über die Mauer hinab.«
Er schritt durch die Menge zurück, seiner Behausung entgegen. Die Warnung Dreifingerauges fiel ihm ein. Die Macht der Schattenzone sollte wie eine dunkle Wolke Yarman-Rash bedrohen. War die Bedrohung schon da, war Yarman-Rash bereits dem Angriff des Bösen ausgesetzt? Vielleicht konnte es ihm der Weise Große sagen.
Ein paar Meter vor seinem Haus
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