Mythor - 044 - Piraten der Wüste
sehe die Prinzessin nicht!«
Jassam grinste und hob einen Arm »Sei unbesorgt, du wirst sie sehen!« schrie er zurück und befahl: »Holt sie her!«
Die drei Posten vor der Kajütentür hatten den Befehl vernommen und drangen nun ein. Augenblicke später erschienen sie mit Shezad wieder. Sie blieben dicht bei ihr. Nach wie vor war die Prinzessin ungefesselt, aber sie würde in keinem Fall schnell genug sein, um die Flucht ergreifen zu können. Außerdem war der Sprung über die Reling des Kampfschiffes wenig ratsam; körperliche Anstrengungen und Sprünge aus diesen für kampferprobte und gewandte Männer nicht zu großen Höhen waren für sie ungewohnt und würden dafür sorgen, dass sie sich zumindest die Knöchel verstauchte.
»Hier ist sie!« schrie Jassam.
»Lass sie von Bord. Wir treffen uns hier in der Mitte«, verlangte der Anführer der Leibgarde.
Ashorro begann zu lachen. »Er macht es sich ein wenig einfach, nicht wahr, Jassam?« fragte er. Der Stellvertreter des Piratenanführers nickte.
»Nehmt ihm die Kapuze ab!« rief er. »Ich will sehen, ob es wirklich Tashan ist. Vielleicht habt ihr nur einen Mann mit, der die gleiche Figur hat wie unser Anführer!«
Tashan schwieg. Das machte Mythor stutzig. Es passte nicht zu dem, was er über Tashan gehört hatte. Es wäre normal gewesen, wenn Tashan jetzt das große Wort geführt, seine Häscher verhöhnt und seine Männer ermuntert hätte. Aber er tat es nicht. Er bewegte sich nicht und sprach kein Wort. Etwas stimmte nicht.
Und die Kapuze… Mythor hatte von dem in Horai üblichen Brauch gehört, aber hier war die Kapuze überflüssig. Hier gab es keinen Hinrichtungsplatz mehr.
Hrobon zischte einen Befehl. Einer der Vogelreiter näherte sich von hinten dem Piraten, beugte sich tief hinab und erwischte die Kapuze mit den Fingerspitzen. Mit einem raschen Ruck riss er sie Tashan vom Kopf und trieb seinen Vogel sofort wieder zurück. Tashan selbst rührte sich immer noch nicht. Unbewegt sah er zu seinem Flaggschiff hinüber.
Jassam sah das Unheil ebenso schnell wie Mythor. »Hisst die Segel!« gellte sein Befehl über Deck. »Alles zurück!«
Und die bereitstehenden Männer zogen mit aller Kraft an den Seilen. Die Segel flogen förmlich empor. Zwei Männer packten die Prinzessin und zerrten sie auf einen Wink Ashorros von der Reling weg. Das war der Moment, in dem No-Ango Mythor das gestohlene Schwert zuwarf und Mythor die Waffe sofort emporschwang.
*
Auch Jassam und seine Begleiter wussten sofort, was die glasartige Schicht über Tashans Gesicht zu bedeuten hatte. Und Jassam witterte Verrat. Er glaubte an eine teuflische Falle Hrobons, ihm den dämonisierten Tashan an Bord zu schicken. Aber unter dem Kommando eines Dämons wollten selbst die abgebrühtesten Piraten nicht stehen. Ein allgemeiner Entsetzensschrei war über die Decks gegangen, als das gläserne Gesicht zum Vorschein kam.
Jassam reagierte sofort. Sein Befehl wurde weitergegeben. Die Segel kamen wieder empor und füllten sich mit Wind. Die Schiffe wurden schneller. Abermals schwang die Tashans Ehre herum, nahm Fahrt auf. Jassam verzichtete darauf, die kleine Gruppe niedermachen zu lassen. Er fühlte sich verraten, und er trachtete danach, mit den Schiffen und Männern so rasch wie möglich davonzukommen. Ein Dämonisierter war so gefährlich wie die Pest, und Jassam wollte nicht selbst ebenfalls mit gläsernem Gesicht herumlaufen.
Für ihn war Tashan tot. Er ahnte nicht, dass selbst die Krieger des Shallad bis vor Stunden nicht geahnt hatten, was für eine Kreatur sie auf den Salzspiegel hinausbrachten. Da hörte er den Luftzug und duckte sich, sah die flache Seite der Klinge auf sich zurasen, dicht über ihn hinweg. Mythor bewaffnet? Der Schreck lähmte ihn fast. Doch Ashorro war schneller. Blitzartig zog er sein Schwert, und die Klingen klirrten gegeneinander.
»Verrat!« schrie Jassam, während die Tashans Ehre seitwärts davonzog. »Packt sie!«
Weitere Piraten stürzten auf Mythor zu. Der hatte keine Gelegenheit, sich umzusehen. Wo war No-Ango, und was geschah mit der Prinzessin?
*
Tashan sprengte seine Fesseln im selben Moment, in dem die Segler Fahrt aufnahmen. »Feiges Gesindel!« brüllte er und sprang.
Sadagar zuckte zusammen. Der Pirat musste unglaubliche Kräfte besitzen. Schon hing er am Sattel Hrobons. Der Vogelreiter zog das Krummschwert und holte aus, aber Tashan drehte sich etwas, so dass er nur die breite Seite der Klinge mitbekam und benommen auf den harten Boden
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