Mythor - 054 - Vina, die Hexe
nicht liegen, daß…«
Er wandte sich um und sah zurück, zum ersten Mal, seit sie die Brücke betreten hatten. Und eine kalte Hand faßte nach seinem Herzen.
Er sah die Gestalten am Felsen herumturnen und dort irgend etwas tun… und es mußte mit dem Zittern zu tun haben, das Ramoa gespürt hatte.
»Sagtest du nicht, daß sie nicht gut klettern können?« fragte er ohne Vorwurf. Ramoa fuhr zusammen.
»Sie können doch nicht…«
Drüben polterte ein größerer Stein in die Tiefe. Abermals zitterte die Felsbrücke.
»Sie lockern die Steine, auf denen diese Nadel ruht«, sagte Mythor so gelassen wie möglich. »Und wenn sie genug Steine herausgezogen haben, kippt das Ding nach unten weg. Und wir nehmen ein Bad.«
»Viel schlimmer«, flüsterte sie und deutete in die Tiefe. »Da unten lauern sie schon, die Kopfjäger.«
Mythor sah hinab. Er sah die schlanken Gestalten, die unruhig im Wasser kreisten.
»Lauf, Mädchen«, sagte er. »Wir müssen hinüberkommen, oder es ist aus. Im Wasser sind sie uns zehnfach überlegen, jeder einzelne von ihnen. Und ich weiß nicht, wie viele es sind. Aber bestimmt über zwei Dutzend.«
Ramoa begann zu laufen. Vielleicht konnten sie es noch schaffen…
*
Wieder war ein größerer Stein gelockert worden. Sie zerrten ihn hervor und ließen dann los. Er polterte den steilen Fels hinunter, rollte einige Ellen über die Uferkante und verschwand dann im aufschäumenden Wasser. Ein gefährliches Knistern, Knacken und Knirschen ertönte.
Dann begann sich die Felsnadel zu neigen. Unmerklich fast auf dieser Seite, doch der Anführer, der Fischköpfe, der das andere Ufer beobachtete, sah, wie sich die Nadelspitze dort sehr schnell senkte. Er sah auch die beiden rennenden Gestalten.
»Genug«, befahl er. »Hinüber!«
Die Fischköpfe ließen von ihrer Arbeit ab. Einer riß noch einen Stein weg und ließ ihn hinunter stürzen, dann glitten sie gewandt hinunter und stürzten sich in das Wasser. Mit schnellen Bewegungen glitten sie durch das Wasser wie Pfeile, die von der Sehne geschleudert werden.
Innerhalb kürzester Zeit würden sie drüben auftauchen. Die beiden rennenden Menschen auf der stürzenden Felsnadel hatten so gut wie keine Chance mehr.
*
Jetzt spürte es auch Mythor. Sie hatten es fast geschafft, aber nun - senkte sich die Brücke noch schneller! Hinter ihnen mußte es den Fischköpfen gelungen sein, die tragenden Steine so weit wegzuräumen, daß die Felsenbrücke einstürzen mußte.
»Schneller!« schrie er Ramoa zu.
Die Feuergöttin wurde tatsächlich noch einmal schneller. Sie lief jetzt vor ihm und konnte es vielleicht noch schaffen, aber er…? Gerade noch fußbreit war der Fels hier, wie er es vom Ufer her geschätzt hatte. Und ein einzelner Fehltritt genügte jetzt, das Ende zu besiegeln.
»Achtung…«
Der Felsen war länger, als Mythor gedacht hatte. Die Spitze knallte auf die Platte, über der er geschwebt hatte. Etwas knackte unter der Belastung.
Ein leichter Seitwärtsruck ließ Mythor taumeln. Auf der anderen Seite rutschten Steine weg, auf den Ruck reagierend. Jetzt kippte die andere Seite der Felsnadel! Von einem Augenblick zum anderen kam die Gefahr aus der anderen Richtung.
Ramoa war noch drei, vier Fuß von der rettenden Platte entfernt. Mythor hinter ihr…
»Paß auf! Festkrallen, nach vorn werfen!« schrie er, während er bereits sprang. Er sprang Ramoa an!
Prallte gegen sie, die gerade ebenfalls vom Felsen absprang, um die rettende Platte zu erreichen. Schmetterte das Mädchen förmlich nach vorn. Unter ihm verschwand die Felsnadel, versank in der Tiefe. Zu zweit kamen sie auf. Ramoa taumelte, machte einen Schritt zuviel - und stürzte über den Rand der Felsplatte!
Sie stieß einen entsetzten Schrei aus.
Mythor griff zu. Seine Fäuste packten die Feuergöttin, umklammerten ihre hochfliegenden Arme. Gleichzeitig riß er sich zurück, warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Fallrichtung. Gerade noch rechtzeitig! Zwei, drei Herzschläge später wäre er vom Schwung mit in die Tiefe gerissen worden.
Er riß in einer fast übermenschlichen Kraftanstrengung Ramoa wieder empor, wirbelte sie herum und stellte sie neben sich auf die Platte. Gleichzeitig kam von unten das Aufschlaggeräusch. Die Felsnadel stürzte ins aufspritzende Wasser.
Hoffentlich werden ein paar von den Fischköpfen erschlagen, dachte Mythor grimmig.
Da knirschte und knackte es schon wieder unter ihnen. Der Aufprall der Felsnadel mußte
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