Mythor - 067 - Krieg der Hexen
stieß durch die Nüstern eine Flammenlohe in die Höhe.
»Gaidels Alpträume kehren zurück!« rief er dann. »Rette sich wer kann.«
Mit diesen Worten hetzte er über die Lichtung und verschwand hinter der welken Pflanzenwand ihren Blicken.
»Wir dürfen Gerrek in diesem Zustand nicht allein lassen«, sagte Mythor und nahm die Verfolgung des Beuteldrachen auf.
*
Vone wartete ungeduldig auf das Erscheinen ihrer Zaubermutter.
Sie hatte sich in ihre Zauberstube am Ende des Spiralgangs von Trittorhain zurückgezogen. Gespannt starrte sie auf die kristallene Kugel vor sich, in der sie vorerst nur ihre beiden Kampfschwestern Niez und Cele sehen konnte. Niez hatte die Augen geschlossen, sie war so angespannt, daß die Sehnen an ihrem dünnen Hals stark hervortraten. Aber ihr sonst so graues Gesicht war von einer leichten Röte überzogen; sie wirkte frisch und jugendlich wie nie zuvor. Cele dagegen war so hektisch und aufgeregt, daß es dauernd in ihrem Jungmädchengesicht zuckte. Ihre gelblichen Augen waren weit geöffnet und blickten starr aus dem Kristall.
Und auf einmal verblaßte das Bild der beiden Hexen und wurde von dem der Zaem überlagert. Zuerst war nur das regenbogenfarbene Barett klar zu erkennen, das die Zaubermutter nur zu besonderen Anlässen aufsetzte. Erst dann bildeten sich die scharfkantigen Umrisse ihres knöchernen Gesichts. Ihr fast lippenloser Mund war verkniffen und bildete unter der scharfrückigen, hervorspringenden Nase einen schmalen Strich. Die Augen funkelten Vone geradewegs an und verursachten ihr einen Schauer, der heiß und kalt zugleich ihren Körper durchjagte. Aus Zaems Blick sprachen Unnachgiebigkeit und Strenge, Herrschsucht und ein unbeugsamer Wille.
Vone senkte demütig das Haupt.
»Meine Mutter«, sagte sie mit Ehrfurcht in der Stimme, »daß du mir die Gnade erweist, dich mir zu zeigen…«
»Die Ereignisse zwingen mich dazu«, klang Zaems Stimme aus dem Kristall; sie sprach gepreßt und abgehackt, und sie klang verärgert. »Ihr wißt, was in Acron vorgefallen ist? Gaidel hat versagt, ich mußte hart durchgreifen. Ich hoffte, daß Gaidel gesunden würde, wenn ich sie von ihren Alpträumen befreite. Aber sie war schon zu schwach, sie war überhaupt eine Schwächliche. Ich kann ihren Abgang nicht bedauern.«
Vone hielt den Atem an, sie wagte nichts zu sagen. Sie erwartete, daß ihre Zaubermutter fortfuhr, aber statt dessen erklang Niez’ Stimme aus dem Kristall.
»Und was wird nun werden?« fragte die Hexe, deren Kampfgebiet im Norden an das von Vone grenzte. »Ist der Krieg vorbei? Müssen wir uns Ambe ergeben?«
»Niez!« Vone zuckte unter Zaems Stimme zusammen, und sie sah förmlich das Schwert der strengen Rüge auf ihre Schwester niedersausen. Die Zaubermutter fuhr etwas versöhnlicher, aber mit unverhohlenem Ärger in der Stimme fort: »Unter normalen Umständen müßten wir so verfahren, und ich sollte euch auftragen, den Mantel zu werfen. Aber es sind Dinge passiert… Ungeheuerliches! Gaidels Zustand hat mir gezeigt, was sich Schreckliches am Hexenstern zusammenbraut. Ich muß mich dorthin begeben, um an Ort und Stelle dafür zu sorgen, daß die Gefahr gebannt wird. Hört, meine Töchter, und schwört, daß nichts von dem, was ich euch zu sagen habe, nach draußen dringt – und schon gar nicht an die Ohren der Dienerinnen der Zahda.«
»Wir geloben es und leisten darauf den Hexeneid«, sagte Vone, Niez und Cele wie aus einem Mund.
»Als ich in die Katakomben kam und Gaidels Alpträume auf mich einwirken ließ«, fuhr Zaem fort, »da erkannte ich zum erstenmal, was wirklich dahintersteckt. Gaidels Alpträume führten geradewegs zu Fronja, der Tochter des Kometen.«
Vone gab einen unterdrückten Schreckenslaut von sich. Fronja, die Verursacherin, die Senderin von Gaidels schrecklichen Alpträumen? Wie konnte das sein?
»So gesehen, ist Gaidel in weiterem Sinn ein Opfer von Fronja«, fuhr Zaem fort, »wenngleich ich der Tochter des Kometen keine böse Absicht unterschieben möchte. Eher will ich ihr sogar zubilligen, daß sie sich gar nicht bewußt war, was sie tat. Dies macht die Lage aber nur um so bedrohlicher.
Denn es zeigt, daß Fronja entartet ist.«
Zaem machte eine Pause und gab ihren drei Hexen Zeit, ihr Entsetzen auszudrücken.
»Jawohl«, bekräftigte die Zaubermutter dann, »von Fronja geht eine solche Bedrohung für unsere Welt aus, daß wir keine andere Wahl haben, als sie zu töten, wollen wir Vanga retten. Ich habe nach einem anderen
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