Mythor - 086 - Die Chronik der Burg Narein
die Riesin mit den Amazonen herum, und dieser Belastung war das große Zelt nicht gewachsen. Ächzend brachen die Stangen, das riesige Tuch senkte sich auf die Gruppe herab.
Schreie wurden laut.
»Was tust du da, Wicht!« schrie eine Amazone. Ploder erkannte an der Stimme Soja von Horsik.
»Holt sie unter der Plane hervor«, stieß Ploder hervor. »Kämpfen können sie so jedenfalls nicht mehr!«
Er hatte zweifelsfrei recht. Vor allem verriet sich in dem Knäuel von Gliedmaßen, das unter dem Zelt zuckte und zappelte, wegen der gewaltigen Abmessungen mühelos der Körper der Riesin. Es bedurfte nur geringer Mühe, Chalderah niederzuschlagen und zu betäuben.
Das hieß nicht, daß die Amazonen sehr mit sich und ihrer Darbietung zufrieden gewesen wären, als sie eine nach der anderen unter der Plane hervorkrochen. Die meisten hatten üble Schrammen und Striemen davongetragen, es hatte blaue Augen gegeben und aufgesprungene Lippen. Ploder hatte auch den Eindruck, als seien nicht alle dieser kleineren Blessuren auf das Wirken Chalderahs zurückzuführen sondern vielmehr darauf, daß die Amazonen in ihrer Verwirrung auch in den eigenen Reihen tatkräftig gewütet hatten.
Garbica von Narein hatte eine kleine Platzwunde an der Stirn, als sie zum Vorschein kam. Sie erkannte Ploder und nickte zufrieden.
»Du hast alles miterlebt?« fragte sie und rückte den Gürtel zurecht. »Wo ist Jayda?«
»Was fällt deinem Männchen ein, die Haltetaue des Zeltes zu durchschneiden?« keifte die Amazone von Horsik.
Garbica wandte sich um und sah Ploder scharf an.
»Du hast das getan?«
Ploder nickte, denn er war sich keiner Schuld bewußt. Garbica maß ihre Rivalin mit abschätzenden Blicken.
»Da siehst du, zu was selbst unsere Männer zu gebrauchen sind«, sagte sie herausfordernd. »Er hat richtig gehandelt, und von euch ist niemand auf die Idee gekommen.«
»Du wagst es, dieses schwächliche Mannsbild über meine wackeren Kriegerinnen zu stellen?«
»Pah«, sagte Garbica. Wenn sie wollte, konnte sie unglaublich hochmütig sein, wahrscheinlich herausfordernder und anmaßender als irgendeine im Lager. »Was wage ich dabei?«
Soja brauchte ein paar Augenblicke, bis sie die ungeheure Beleidigung begriffen und verarbeitet hatte. Ihr Gesicht wurde zu einer Grimasse der Wut.
»Dafür wirst du mit Blut zahlen, Garbica von Narein.«
»Gern«, sagte Garbica. »Es wird dein Blut sein, Soja von Horsik.«
Soja knirschte mit den schadhaften Zähnen. Sie warf den Kopf herum und machte einen Schritt von Garbica weg.
»Wir werden uns begegnen«, stieß sie zwischen zusammengepreßten Kiefern hervor. »Und dann… aber warte es ab.«
Hoheitsvoll schritt sie davon. Zufällig sah Ploder, daß ein paar Schritte entfernt Tharka stand und Garbica feindselig musterte. Der rasche verschwörerische Blick, der zwischen Soja und Tharka gewechselt wurde, entging Ploder nicht.
Er beschloß, auf der Hut zu sein. Etwas braute sich zusammen. Möglich, daß der Konflikt zwischen der abtrünnigen Zaubermutter und den Amazonen nicht mehr lange dauern würde - ebenso sicher erschien es Ploder, daß in diesen Tagen und Stunden der Keim zu einem Sippenkrieg gelegt worden war, der an Schärfe und Gnadenlosigkeit in nichts hinter den anderen Auseinandersetzungen zurückstand.
7.
»Sie naht, die Schlacht, die weibermordende«, murmelte Jayda. »Steh auf, spute dich.«
Ploder rieb sich die Augen.
»Was ist los?« fragte er schlaftrunken. Der Nachteil beim Verliebtsein bestand darin, daß man nicht nur tagsüber viel zu tun hatte, sondern auch des Nachts keinen richtigen Schlaf fand.
»Schlacht«, sagte Jayda. »Heute ist Krieg.«
»Was denn, schon wieder?« murmelte Ploder mit der Unbefangenheit des Naturkinds. »Bekommt ihr nie genug davon?«
»Das frage den Gegner«, sagte Jayda lachend und zog Ploder die Decke weg. Der fuhr quiekend auf.
»Wenn nun jemand gekommen wäre«, empörte er sich. Jayda grinste nur.
»Die Frauen hier wissen, wie Männer aussehen«, sagte sie lachend. »Nun beeile dich, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
Hastig fuhr Ploder in seine Kleider, dann schnappte er sich sein Handwerkszeug.
»Es kann losgehen«, sagte er zufrieden. Er stellte fest, daß der Umgang mit Jayda und Garbica seinen Mut beträchtlich hatte wachsen lassen. »Ich bin bereit. Wo geht es zur Schlacht?«
»Du wirst noch früh genug damit zu tun haben«, sagte Jayda ernst.
Diesmal gab es im Lager keine Langschläfer. Überall war alles in Bewegung,
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