Mythor - 086 - Die Chronik der Burg Narein
würde.
»Aufstehen, du Faulpelz«, sagte Jayda zärtlich, als sie das Zelt betrat.
Ploder grinste verwegen. Das schreckliche Abenteuer mit der Riesin hatte er fast schon vergessen und seit sich Jayda um ihn kümmerte - wie sie es nannte -, war das Leben recht erträglich geworden.
»In einer Stunde gibt es eine Besprechung«, sagte Jayda. Sie setzte sich auf einen Schemel und sah Ploder an. Der verfärbte sich unwillkürlich wieder rot, was Jayda ein Grinsen abnötigte.
»Du sollst dabei sein, hinter einem Vorhang versteht sich«, berichtete Jayda weiter. »Garbica möchte, daß du aufschreibst, was sich bei der Besprechung zuträgt.«
Unwillkürlich blickte Ploder zur Seite. Sein neues Handwerkszeug lag bereit. Ein paar dürre alte Esel hatten ihr Fell hergeben müssen, um das nötige Pergament zu liefern. Ploder hatte säuberlich alles aufgeschrieben, was er hatte erfahren können. Auch Garbicas Kampf gegen die Riesin war säuberlich notiert worden - ohne daß Ploder es sich gestattet hätte, seine eigene Rolle in diesem Kampf auch nur anzudeuten. Wer zwischen den Zeilen zu lesen verstand, mußte allerdings bald merken, daß der Bericht nur von einem Augenzeugen verfaßt sein konnte, und diese Tatsache legte ein beredtes Zeugnis ab vom Mut des Chronisten, besser als es seitenlange Lobeshymnen hätten tun können.
»Ich werde mich sputen«, versprach Ploder.
Er kam sich ohnehin ein wenig lasterhaft vor, wenn er bei Sonnenaufgang noch schlief, noch dazu auf einem Sack mit frischem Häcksel. Bei sich zu Hause war er weniger bequem untergebracht gewesen.
Ploder hatte bei Jayda abgesehen, wie man sich schnell und zügig auf die Tagesarbeit vorbereitete. Jaydas Vorliebe für größere Mengen kalten Wassers zur Reinigung teilte Ploder nicht; es war unmännlich sich eimerweise kaltes Wasser über den Kopf zu schütten, aber die seltsame Angewohnheit, sich jeden Morgen das Gesicht zu waschen hatte Ploder übernommen. Die Liebe führte zu seltsamen Verhaltensweisen, hatte er festgestellt.
Während er sich ankleidete - viel Auswahl hatte er ohnedies nicht -, schnitt sich Jayda ein ordentliches Stück von dem Speck herunter und ließ es hinter ihren weißen Zähnen verschwinden.
»Du wirst viel Wichtiges zu hören bekommen«, sagte sie mit vollem Mund. »Und ich warne dich - sei verschwiegen. Schreib auf, was du weißt, aber zeige es niemandem. Es könnte sonst großen Ärger geben.«
Ploder lächelte selbstgefällig.
»Was ich geschrieben habe, wird so schnell niemand entziffern«, sagte er. »Und über meine Lippen kommt kein Wort - wer sollte im übrigen auch fragen.«
»Zum einen der Gegner«, sagte Jayda und ließ dem Speck eine dicke Scheibe Brot folgen. »Zum anderen gibt es auch eine ganze Menge Streitigkeiten im Lager. Wenn dieser Kampf beendet ist und der Gegner geschlagen, dann werden die Lehnen über Ganzak vergeben. Und das schafft schon Feindschaft. Paß auf die Horsik-Leute auf, sie sind gefährlich.«
»Ich werde mich bemühen«, versprach Ploder. »Fertig.«
»Willst du nichts essen?« fragte Jayda.
»Lieber nicht«, sagte Ploder und sah an sich herunter.
»Männer«, murmelte Jayda kopfschüttelnd.
Sie verließen das Zelt. Im gleichen Augenblick erschien auch Garbica auf der Lagerstraße. Sie trug ein dunkles Gewand, keine Rüstung. Allerdings stak im breiten Gürtel ein Messer; ganz ohne Waffen war eine Amazone selten zu finden.
Garbica schritt voran.
Jayda und Ploder folgten in gebührendem Abstand. Garbicas Ziel war das größte Zelt des Lagers, das bei Tag und Nacht von einer Zehntschaft erlesener Kriegerinnen geschützt und bewacht wurde.
Vor dem Zelt blieb Garbica stehen.
»Ihr beide geht dort hinein«, bestimmte sie. »Laßt euch nicht blicken, sonst verfallen eure Häupter dem Beil der Henkerin.«
Sie betrat das Zelt. Ploder sah ihr mit gemischten Gefühlen nach.
»Das ist das Lustigste bei euch Kriegsweibern«, sagte er mißmutig. »Für alles und jedes werden gleich Köpfe abgeschlagen.«
»Das ist das gründlichste Verfahren«, sagte Jayda trocken. »Komm!«
Das große Zelt bot Platz für die Versammlung der Amazonen. Bewohnt wurde es von der Hexe Raem und ihren Dienerinnen. In einer Abteilung, die normalerweise als Vorratsraum diente, kamen Jayda und Ploder heraus. Sie fanden Ballen, auf die sie sich setzen konnten.
Nebenan war Stimmengewirr zu hören. Ploder wagte nicht, das Tuch zur Seite zu schieben, aus Angst entdeckt zu werden. Er erkannte aber die Stimme seiner
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