Mythor - 095 - Die Zaubermütter
noch lebten. Scida und Gerrek hatten gewiß keine guten Aussichten in diesem Durcheinander, und Mythor ahnte, daß seine eigenen Aussichten nicht sonderlich besser waren. Eingekreist von etlichen Tausendschaften von Kriegerinnen, dem Haß der Burra ebenso ausgeliefert wie den weitgespannten Intrigen der Zaem, waffenlos, ohne Freunde, Helfer - selten war Mythor schlechter drangewesen.
Und doch ließ er den Mut nicht sinken - es gab Möglichkeiten, Chancen, Hoffnung. Mehr als einmal hatte er erproben können, durch wie kleine Mauselöcher man in höchster Not schlüpfen konnte, wenn man nur beherzt war.
Was war in diesem Augenblick zu tun?
Weglaufen half nichts. Draußen, zwischen den teilweise zerstörten Palästen, hausten die Amazonen, denen er unter keinen Umständen in die harten Fäuste fallen durfte. Auf Tertish zu warten, versprach nur Verdruß und Langeweile.
Mythor entschloß sich, einen Rundgang zu machen und nach einem Etwas zu suchen, das er vielleicht als Waffe verwenden konnte, wenn es nottat. Eine Keule vielleicht, ein harter Gegenstand, etwas, das man einem Gegner zu kosten geben konnte.
Mythor verließ den Raum.
Eine seltsame Atmosphäre lag über der Szene. Draußen blakten Feuer, an denen sich die Amazonen wärmten. Über den fahlgrauen Himmel zogen schemenhaft die Luftschiffe der Amazonen. Ringsum gab es nur Trümmer - besonders in diesem Bereich hatten die Amazonen übel gehaust.
In beträchtlicher Entfernung konnte Mythor Amazonen bei einem grausamen Spiel entdecken - sie hatten ein paar Gefangene an den Korb eines Luftschiffes gebunden und veranstalteten ein Zielschießen auf die Unglücklichen. Daß sie dabei absichtlich danebenschossen war vermutlich darauf zurückzuführen, daß sie sich solche Übergriffe im Herrschaftsgebiet der allseits verehrten Zaubermutter denn doch nicht zu leisten wagten. Das milderte aber die Boshaftigkeit dieses Zeitvertreibs nur wenig. Mythor hätte gerne eingegriffen, aber damit hätte er sich bloßgestellt.
»He du!«
Mythor drehte sich nur langsam herum. Eine stämmige Amazone, die mit zwei anderen an einer glimmenden Feuerstelle saß, winkte ihm zu.
»Uns fehlt noch eine zum Spiel«, rief die Frau mit rauher Stimme.
»Keine Lust«, sagte Mythor.
»Was soll das heißen?«
Mythor richtete sich auf. Schwäche zu zeigen war hier lebensgefährlich.
»Was ich gesagt habe - es fehlt mir an der Lust zum Spiel. Glaubst du mir nicht?«
Einen Augenblick starrte die Amazone Mythor wütend an, dann machte sie eine wegwerfende Handbewegung.
»Meinetwegen«, sagte sie. »Wir brauchen dich nicht.«
Mythor deutete einen Abschiedsgruß an, der entschieden zu frech ausfiel. Genau das rettete ihn - Zimperlichkeit war das letzte, was er sich unter diesen ruppigen Weibern erlauben durfte. Hier galten nur Härte und Durchsetzungsvermögen, und einmal mehr wurde Mythor darauf gestoßen, wie absonderlich unverkennbar männliches Gehabe auf Gorgans Bewohnerinnen wirken mußte. Manchmal kam der Sohn des Kometen sich vor, als sei er in einer Spottwelt gelandet, Gorgan zu Hohn und als Zerrspiegel geschaffen.
»Verschwinde«, brüllte die Amazone wütend. »Sonst mach ich dir Beine!«
Mythor entfernte sich. Durch Mauerlücken fegte der Wind. Es war kühl, feucht obendrein. Licht gab es genug und zuwenig in einem - ein fahles Grau, das alles überlagerte und durchdrang, Nebel, der nimmer zu weichen schien, Geräusche verschluckte, alles durchnäßte und jedem empfänglichen Gemüt schaudervolles Frösteln über den Rücken rieseln lassen mußte. Es schien verwunderlich, daß sich die Zaubermütter ausgerechnet diesen entsetzlich ungastlichen Ort als Heimstatt ausgesucht hatten. Aber Mythor vermutete, daß die Verhältnisse im Innenbereich des Hexensterns, im Gebiet der Lichtinsel, ganz anders aussahen.
Irgendwo dort, auf der Lichtinsel, war Fronja zu finden - Antrieb und Ziel in einem für den rastlosen Sucher. Hatte er tatsächlich noch Aussicht, Recht auf die Hoffnung, sein Ziel erreichen zu können?
»He, du!«
Mythor schritt zunächst weiter, bis eine Wiederholung des leisen Anrufs ihm klarmachte, daß er gemeint war.
Er wandte sich um.
Ein Aasenmädchen näherte sich zaghaft.
Mythor wußte aus eigener, leidvoller Erfahrung, daß diesen Mädchen nicht zu trauen war - mochten sie auch noch so freundlich sein.
»Ja?«
Das Mädchen zeigte ein freundliches Lächeln, aber Mythor ließ sich davon nicht täuschen.
»Du hast mich gerufen?«
»In der Tat«, sagte das
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