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Mythor - 113 - Das Feuer der Zeit

Mythor - 113 - Das Feuer der Zeit

Titel: Mythor - 113 - Das Feuer der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Paul
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emporgehoben zu werden. Mythor konnte das optisch nicht wahrnehmen, aber ein Druck in der Magengegend erweckte den Eindruck, daß es danach von hoch oben wieder in ein Wellental glitt.
    Dabei war ihm, als sehe er die Wölbung eines mächtigen geschuppten Leibes um sich. Ein zischelndes Gekicher drang an sein Ohr, spottend und gehässig. War das die Schlange Yhr, die ihn verhöhnte? Mythor ließ sich davon nicht beirren.
    Die Finsternis schloß ihn völlig ein. Sie war so dicht, daß er überhaupt nichts mehr sehen konnte. Er verspürte keinerlei Kälte, und er war überzeugt, daß er auch gegen jede Art von Schmerz unempfindlich war, obwohl er die Gegenprobe nicht machen konnte. Er war sich seines Körpers überhaupt nicht bewußt.
    War er nun am Ende des Tunnels? Befand er sich an der Schwelle zum Totenreich?
    Die komplette Schwärze schläferte seine Sinne allmählich ein. Er schüttelte die aufkommende Müdigkeit gewaltsam ab, zwinkerte mit den Augen und öffnete sie weit.
    Und er sah!
    Er näherte sich dem Ufer eines Gewässers. Die Wasseroberfläche bewegte sich nicht. Entlang dem Ufer erstreckte sich eine seltsame Landschaft, die er nicht beschreiben konnte. Die Landschaft war wie eine Mauer, eine Fläche mit einem Muster und einer Maserung wie von Fels. Aber das traf die Wahrheit auch nicht ganz. Mythor hatte zum anderen auch den Eindruck, als befände er sich vor einer in die Unendlichkeit reichenden Schriftrolle, auf der das Wasser und die Landschaft nur aufgemalt waren. Hier ein Strich, dort ein Punkt, nichts hatte Tiefe, nichts war greifbar.
    Und Mythor war ein Teil davon.
    Er näherte sich einem Schatten, der die Form einer Barke mit einem Drachenbug hatte, mit einem gehörnten Sechsarmigen, der sich auf eine Stange stützte.
    Der Fährmann – aber er war hier nur ein Schemen.
    Mythor erreichte das Ufer. Er legte dabei keine räumliche Entfernung zurück, er wanderte nur ein Stück über die Fläche.
    »Wo ist Tertish?« fragte Mythor den Sechsarmigen, und seine Stimme klang ihm selbst fremd.
    »Tertish ist an dem ihr zugewiesenen Platz«, erwiderte der Fährmann mit hohler, unwirklich klingender Stimme.
    »Du hättest kein Recht, sie zu holen, Fährmann«, sagte Mythor. »Ihre Zeit ist noch nicht abgelaufen. Ihr Platz ist unter den Lebenden.«
    »So? Wer sagt das?« Die Umrisse des Sechsarmigen veränderten sich, als drehe er sich Mythor zu. Das war aber nicht so genau festzustellen, weil er nur ein Schatten war.
    »Ich, Mythor, der Sohn des Kometen, sage das«, antwortete Mythor. »Tertish hat noch Pflichten gegenüber den Lebenden und sich selbst. Ihr Abgang ins Totenreich ist nicht recht. Er entsprang dem Irrglauben, sich für andere opfern zu müssen. Ich bin gekommen, um sie zurückzuholen.«
    »Dann hole sie dir!«
    Der Schatten des Sechsarmigen löste sich auf, er verschwand mitsamt seiner Barke.
    Mythor war mit sich allein. Er war selbst nur ein Schatten in einer Schattenwelt.
    Er betrat das Ufer und schritt durch die seltsame Landschaft, die keine Tiefe hatte und nicht räumlich war. Dabei bemerkte er, daß er sich selbst – wie in einem Traum – beobachten konnte, als sei er ein Außenstehender.

4.
    Die Attacke der Toten kam völlig unerwartet. Auf einmal war Mythor von Schatten ohne Zahl umringt. Sie stupsten und stießen ihn, zupften und zerrten an ihm. Er wurde hin und her gerissen und in einen unwirklichen Reigen verwickelt. Er spürte die vorsichtigen Berührungen und die entschlossenen Stöße nicht körperlich, sondern nahm sie nur geistig wahr. Und er vernahm ein Wispern und Raunen, einen flüsternden Chor, verstand aber nichts von all dem, empfing kein einziges klares Wort.
    »Laßt von mir ab!« begehrte er auf. »Ich bin keiner von euch. Ich gehöre nicht hierher.«
    »Warum bist du dann hier?« fragte der Chor in einem seltsamen Singsang.
    »Ich bin ein Suchender«, antwortete Mythor.
    »Das war fast jeder von uns einmal«, sang der Chor. »Und was suchst du?«
    »Tertish, die Todgeweihte.«
    »Er sucht Tertish, die Todgeweihte«, raunten die Schatten einander zu. Und dann sangen sie: »Vielleicht können wir dich zu ihr führen. Aber das hat seinen Preis.« »Was verlangt ihr?« wollte Mythor wissen und fügte, eingedenk der Tatsache, daß er seine Ausrüstung auf Carlumen zurückgelassen hatte, hinzu: »Ich habe nichts anzubieten.«
    »Sage nur das nicht«, erwiderte der Chor der Seelen. »Du kommst aus dem Reich der Lebenden und könntest für so manchem von uns etwas zu

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