Mythor - 113 - Das Feuer der Zeit
von Joby. Der Junge rüttelte ihn an der Schulter.
»Was ist los?« fragte Mythor verständnislos. Er hatte einen seltsamen Traum gehabt, an den er sich kaum noch erinnerte. Irgendwie war ihm, als hätte er mit der halb verbrannten Horeka einen Reigen getanzt.
»Wir haben in der Finsternis ein Licht entdeckt«, sagte Joby. »Der Nykerier meinte, daß ich dich sofort verständigen sollte.«
»Ich komme«, sagte Mythor und stand auf.
In der Nebenkoje regte sich Fronja, und gleich darauf erschien sie.
»Darf ich mitkommen?« fragte sie.
»Warum nicht?« Mythor schnallte sich den Gürtel um und warf sich den Umhang über die Schulter.
»Verzeih mir, daß ich so grob zu dir war«, sagte Fronja. »Aber du mußt meine Lage verstehen. Ich mag dich sehr. Doch kann ich den Gedanken nicht ertragen, daß irgendein Zauber unser Schicksal bestimmen soll.«
Mythor winkte mit einem verständnisvollen Lächeln ab. Gemeinsam begaben sie sich auf die Brücke. Dort trafen sie Sadagar, den Kleinen Nadomir und Robbin an. Joby, der sich in Mythors Schatten einschleichen wollte, wurde ausgesperrt.
»Was ist das für ein Licht, von dem mir Joby berichtet hat?« fragte Mythor.
»Eine Flamme – die heller strahlt als irgend etwas in der Schattenzone«, kam Caerylls Stimme aus der Kristallwand.
»Sieh selbst«, sagte Sadagar, der am linken Bugfenster stand, und winkte Mythor zu sich.
Beim Durchqueren des Raumes stellte Mythor fest, daß das Steuerpendel über dem Siebenstern eine verschlungene Bahn aus ineinander verwobenen Schleifen zog. Caerylls Karte war zusammengerollt. Die drei DRAGOMAE-Bausteine standen auf den Symbolen der Zahlen sieben, vierzehn und einundzwanzig. Mythor fragte nicht nach der Bedeutung dieser Konstellation.
Er kam an Sadagars Seite und blickte durch das Bugfenster. Carlumen trieb noch immer durch die Düsternis, ein Nichts ohne Konturen.
Aber inmitten dieses lichtlosen Nebelmeers strahlte ein heller Punkt. Bei genauerem Hinsehen erkannte Mythor, daß diese ferne Lichtquelle strichförmig war, einem aufgestellten Leuchtstab gleich.
»Was ist das?« fragte Mythor. »Steuern wir darauf zu?«
»Caeryll hat Kurs darauf genommen«, antwortete Sadagar. »Aber bisher sind wir der Lichtquelle noch nicht nähergekommen. Das mag auch daran liegen, daß sie in unendlich weiter Ferne liegt.«
Mythor wandte sich nach Robbin und Nadomir um.
»Habt ihr versucht, die Lichtquelle auf Caerylls Karte zu finden?« fragte er.
»Dieses Licht ist kein Bestandteil der Schattenzone«, antwortete Robbin. »Es muß von irgendeinem Ort der Lichtwelt strahlen.«
»Wäre es nicht möglich, daß dieser Ort in Gorgan liegt?« fragte Mythor mit steigender Erregung. Er hatte eine ganz bestimmte Vermutung, doch wagte er noch nicht, sie auszusprechen. »Kann Caeryll uns nicht helfen?« Als die anderen schwiegen, wandte sich Mythor der Kristallwand zu, durch die Caerylls graubärtige Gestalt schemenhaft zu sehen war, und fragte: »Caeryll, kommt dir dieses Licht bekannt vor? Hast du es schon jemals zuvor auf irgendeiner deiner Reisen entdeckt?«
»Das wäre nicht unmöglich«, sagte die Stimme, die durch die Schwingungen der Kristalle geformt wurde. »Ich müßte nachdenken. Laß mir ein wenig Zeit, dann komme ich bestimmt dahinter. Auf meinen Reisen durch die Schattenzone leuchteten mir nur wenige Lichter. Ich müßte mich doch erinnern können…«
»Da kommt bestimmt nichts dabei heraus«, sagte Sadagar überzeugt. »Caeryll ist so vergeßlich, daß er sich nicht einmal mehr an den Tag erinnert, an dem ich in Carlumen eintraf.«
»Dieses Licht, das ich meine, kann er einfach nicht vergessen haben«, sagte Mythor. »Es hat für ihn, und nicht nur für ihn, eine ganz besondere Bedeutung. In seinem Bericht auf der Rückseite der Karte erwähnte er, daß er es oftmals ansteuerte, aber nie erreichte. Außerdem ist er von dieser Lichtquelle zu seiner Fahrt in die Schattenzone aufgebrochen.«
»Das war vor über fünfhundert Jahren«, gab Sadagar zu bedenken. Plötzlich zeichnete sich Erkennen auf seinem Gesicht ab, und er rief aus: »Mythor, du meinst doch nicht…«
»Ich möchte es von Caeryll selbst hören, damit ich mir meiner Sache sicher sein kann«, unterbrach Mythor ihn. »Caeryll! Welches Licht war in den vielen Jahren deiner Wanderschaft durch die Schattenzone stets dein Leitstern?«
»Es gab nur ein Licht, dem meine Sehnsucht gehörte«, sagte Caeryll ohne zu zögern. »Das war die Lichtsäule von Logghard, dem siebten
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