Mythor - 113 - Das Feuer der Zeit
wieder. Ein Schritt – und schon befand er sich in einer anderen Landschaft. Aber immer war er in einem Flammenmeer, aus dem Lava-Inseln ragten. Die Küste lag in einem fernen Feuerhauch.
Das Windhorn von Carlumen tutete wieder, energischer diesmal, wie es Mythor schien. War es Zeit für die Umkehr? Mythor war enttäuscht, daß er dem Lava-Mann nicht begegnet war. Aber er tröstete sich damit, daß sich dafür vielleicht noch eine Gelegenheit fand.
Er wandte sich in die Richtung, aus der ihn das Windhorn rief.
Da hatte er ein seltsam prickelndes Gefühl. Es war jenes Gefühl, wie man es hat, wenn sich jemand oder etwas unbemerkt in seinem Rücken nähert.
Mythor drehte einige Male um seine Achse, bevor er das brennende Schiff entdeckte. Es hielt geradewegs auf ihn zu. Instinktiv hob Mythor die Arme, um sich vor einem Zusammenstoß zu schützen.
Und da sah er ihn.
Den Lava-Mann!
Er stand an der Reling, umgeben von anderen flammenden Gestalten. Obwohl sie alle wie aus Lava gegossen schienen, merkte Mythor an irgendeiner unerklärlichen Ausstrahlung, wer davon der Lava-Mann war. Er stand zu ihm in einer besonderen Beziehung. Er war mit ihm auf eine seltsame, kaum zu erklärende Art und Weise verwandt.
Und über ihm blähte sich das Segel mit den roten Flammenzungen, aus dem die Schwertfaust ragte.
Woher kannte Mythor dieses Wappen? Es wirkte wie ein Signal auf ihn. Er erinnerte sich dunkel daran, daß dieses Wappen auch die Südwind getragen hatte, mit der er vor einigen Monden durch die Schattenbucht gekreuzt war.
Das in Feuer getauchte Schiff war seinen Blicken entschwunden, kaum daß er einen Schritt getan hatte. Er bedauerte das, war aber sicher, die Spur des Lava-Mannes wieder zu finden.
Das Tuten klang nun so laut, als befände sich das Windhorn von Carlumen hinter der nächsten Lava-Insel. Und tatsächlich, da lag die Fliegende Stadt. Sie ragte halb aus einem Berg aus Lava hervor, den sie zweigeteilt hatte.
Er hatte dieses Bild schon einmal gesehen, vor über vier Monden, nur aus einer anderen Warte. Er verdrängte diese Gedanken.
Diesmal winkte ihm jemand von Bord, kam herabgeklettert und lief mit wehendem Haar auf ihn zu.
»Fronja!« rief er erstaunt. Als er sah, was sie in der einen Hand umklammert hielt, fragte er: »Was machst du mit dem DRAGOMAE-Kristall?«
»Er kann dir die Augen für die Wahrheit öffnen«, sagte sie keuchend, als sie ihn erreicht hatte. Sie zerrte an ihm. »Komm mit an Bord. Ich nehme an, daß du genug Unheil angerichtet hast. Aber das Schlimmste will ich wenigstens verhindern.«
Mythor verstand überhaupt nichts mehr, aber er folgte ihr an Bord von Carlumen. Irgendwie fühlte er sich doch erleichtert, die Flammenwelt hinter sich gelassen zu haben.
Sie ergriff ihn am Arm und wollte ihn mit sich in Richtung des Buges ziehen. Aber er wandte sich zufällig um und sah wieder das Schiff, dessen Segel eine aus Flammen ragende Schwertfaust zierte.
»Da kommt der Lava-Mann«, sagte Mythor. »Diesmal muß es zur Begegnung kommen, koste es, was es wolle.«
»Das würdest du nicht überleben, Mythor«, sagte Fronja überzeugt. »Weißt du denn überhaupt wo und wann wir hier sind? Dies ist die Schattenbucht von Ganzak!«
»Ich habe es geahnt, gewußt geradezu«, sagte Mythor. »Es aber nur nicht wahrhaben wollen. Ich kenne nun Caerylls Geheimnis. Irgendwie gelingt es ihm, das Kristallgefängnis von Carlumen zu verlassen und als Lava-Mann durch diese Bucht zu geistern.«
»Das ist Selbsttäuschung, Mythor«, sagte Fronja. »Du siehst die Schattenbucht durch das Feuer der Zeit. Und ebenso wirst du von Bord dieses Schiffes dort durch das Feuer der Zeit gesehen. Dieses Schiff ist die Südwind – und zwischen ihm und uns liegen über vier Monde. Begreifst du nun endlich?«
Mythor schüttelte benommen den Kopf. Er starrte zu dem Lava-Mann hinüber, und nun war ihm klar, daß der andere ihn auch als Lava-Mann sah. Denn zwischen, ihnen lag die Barriere der Zeit.
Mythor war wie vor den Kopf geschlagen.
Er sah sich wieder an Bord der Südwind und dem Lava-Mann durch die Schattenbucht nachjagen. An seiner Seite war die rotbemantelte Hexe Glair, die ihm Mut für dieses Unternehmen machte, ihn darin bestärkte, dem Lava-Mann nachzujagen, weil auch sie ihn für Caeryll hielt.
»Begreifst du jetzt, warum du einer Begegnung mit dem Lava-Mann aus dem Weg gehen mußt, Mythor?« fragte Fronja. »Oder willst du dich mit eigenen Augen überzeugen?«
Sie überreichte ihm den
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