Mythor - 123 - Duell der Steinmänner
änderte sich nichts. Niemand vermochte abzuschätzen, ob die Tokuane den richtigen Weg fanden oder im Kreis herumgingen – es wurde Mythor immer gleichgültiger.
»Der Durst«, murmelte er für sich selbst.
Die Zunge klebte am Gaumen fest, der Mund war wie ausgedörrt. Müdigkeit überfiel Mythor immer heftiger. Es war, als zöge sich das Leben gleichsam aus ihm zurück, um sich einzukapseln, einer Spore gleich, die sehr lange Zeit ohne Wasser auszukommen vermochte.
Mythor wußte, daß diese Mattigkeit lebensgefährlich war. Die Sinne stumpften ab, Gleichgültigkeit verklebte das Wahrnehmungsvermögen, und in dieser Lage konnte die geringste Unachtsamkeit das Ende bedeuten.
Alles Widerstreben half nichts, die Schwäche lullte Mythor ein. Für einen kurzen Gedanken erfaßte er noch seine Freunde, die gleich ihm auf den Rücken der Tokuane zusammengesunken waren.
Dann verschwand die Wirklichkeit um Mythor herum. Er hörte nur noch ein fernes Brausen, vor seinen Augen wallte es rot und gelb, feine scharfe Spitzen kitzelten ihn an den Rippen. Er wollte eine Handbewegung machen, um das Prickeln wegzustreifen, aber die ermatteten Glieder gehorchten ihm nicht mehr. Mythor ächzte.
Der Boden schwankte von einer Seite zur anderen. Einen Herzschlag lang durchfuhr Mythor die Einsicht, daß er es war, der heftig schwankte, dann war das Alpbild wieder stärker als er.
Der Horizont wackelte und zitterte, der Dämon, auf dem Mythor ritt, bockte und scheute. »Ruhig, Xatan!« herrschte Mythor sein Reittier an. Er kicherte fröhlich. Hatte er den Dämon nicht bezwungen und sich dienstbar gemacht, ihn zum Reittier erniedrigt? Haha, so sollte es allen ergehen, die es wagten, sich dem Sohn des Kometen in den Weg zu stellen.
Vor allem Sadagar. Richtig, da stand er – mindestens acht Mannslängen groß, hager und unverschämt grinsend. Sollte er nur kommen, Mythor würde ihm schon zeigen, wer der Herr und Meister war, wer die bessere Klinge schlug.
Jäh fegte der Eiswind über das Land, stach mit gläsernen Spitzen in Mythors Leib. Er schauderte. Der Boden erzitterte heftig, bäumte sich förmlich auf, und dann spürte Mythor wie er fiel und fiel. Endlos war dieser Sturz, hinein in einen grundlosen Schacht, dessen schwärzliche Wände an Mythors Augen vorbeirasten. Eisige Kälte schlug ihm entgegen und lähmte seine Glieder.
Und dann schlug er mit unglaublicher Härte auf und verlor das Bewußtsein.
6.
»Du kannst gehen«, sagte Sadagar freundlich. »Ich brauche dich nicht mehr. Und ich rate dir, den Pechsumpf zu umreiten – sonst werden dich nämlich meine Freunde finden und dir ein paar unbequeme Fragen stellen.«
Arcor verzog sein Gesicht.
»Die Reise war beschwerlich«, verkündete er. »Und gefährlich.«
»Das weiß ich wohl«, antwortete Sadagar.
»Da wäre eine kleine Belohnung angebracht«, fuhr Arcor fort. Nun, da er die gefährliche Angelegenheit hinter sich gebracht hatte, kehrte dem Yarlfänger der Mut zurück. Sadagar stellte es mit innerer Heiterkeit fest.
»Ich will dir etwas geben«, sagte der Steinmann lächelnd. »Merke auf!«
Er griff dem Yarlfänger ans Ohr. Der wollte zurückzucken, hielt dann aber still und starrte Sadagars Hand an, als dieser sie zur Faust geballt zurückzog.
»Was glaubst du, halte ich in dieser Hand?« fragte Sadagar.
»Nichts«, antwortete Arcor. »Sie war leer, als du mich angefaßt hast.«
Sadagar öffnete die Faust. Ein Vogelei lag darin, gelb und braun gesprenkelt. Arcor schluckte.
»Was soll das sein?« fragte er.
»Ich habe dir ein Teil des Marks aus den Knochen gesogen«, behauptete Sadagar. Er war sicher, daß der Yarlfänger ihm jedes Wort glauben würde, und so war es auch. Arcor wurde kalkweiß im Gesicht.
»Das ist Hexerei«, stieß er hervor.
»Nur, wenn ich es behalte«, gab Sadagar zurück. »Wer bist du, daß du Forderungen an mich zu stellen wagst!«
Völlig eingeschüchtert, verlegte sich der Yarlfänger aufs Bitten.
»Du wirst mich nicht so gehen lassen«, jammerte er. »Das kannst du nicht tun – nicht nach allem, was ich für dich getan habe.«
»Sieh her!«
Langsam schloß er die Hand und ballte die Faust. Es war ein uralter Trick, und er verfehlte nicht seine Wirkung. Sadagar wußte, daß ein Vogelei, richtig angefaßt, selbst beim stärksten Zugriff nicht barst – aber der Yarlfänger wußte es nicht. Er sah nur, wie sich Sadagars Muskeln mehr und mehr spannten.
»Nicht, hör auf!« schrie er. Unwillkürlich griff er sich an den Nacken,
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