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N. P.

N. P.

Titel: N. P. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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Bastard von irgendeinem Unbekannten bin, und Otohiko und ich könnten ab sofort ein ganz normales Liebespaar sein – diese absolute Befreiung, die würde mich erdrücken, ich würde wahrscheinlich dem Alkohol verfallen oder sowas. Noch schlimmer wär aber, wenn sich herausstellen sollte, daß wir tatsächlich verwandt sind. Genau wie bei Aidsverdacht – man sucht Ausflüchte, um sich bloß nicht untersuchen zu lassen. Der Mensch ist schwach. Ich bin in einer ziemlich schlimmen Umgebung aufgewachsen und hab viel Unmenschliches gesehen. Letzten Endes mußte ich aber immer feststellen: Der Mensch ist schwach. In gewisser Weise ist das vielleicht eine Variante der Vorstellung, der Mensch sei von Natur aus gut. Für den Drang, sich unmenschlich zu benehmen, muß man, soweit ich das aus meinen bisherigen Erfahrungen sagen kann, immer irgendwann bezahlen, wie mein Vater zum Beispiel. Oder aber es gibt vielleicht wirklich so was wie Gott.«
    Das Blau des Himmels war so tief, daß einem die Augen brannten. Eine so schöne Farbe, daß das Undenkbare denkbar wurde und mir beinahe die märchenhaften Worte rausgerutscht wären: Und wenn ihr euch einfach nicht drum kümmert und zusammenbleibt, bis ihr auseinandergehen wollt? – Doch solche Augenblicke hatten die zwei sicher oft erlebt und ebenso oft auch genau diesen Entschluß gefaßt, sonst wären sie nicht bis jetzt zusammengeblieben.
    »Dein Leben scheint sehr anstrengend gewesen zu sein.«
    »Bingo, du hasts erfaßt!« Sui verzog ihren riesengroßen Mund zu einem breiten Lächeln. Jetzt ist es passiert, dachte ich, ich hab sie gern! Mitten ins Herz trifft sie mich, als ob wir schon ewig miteinander geredet hätten.
    »Ich glaub, ein Fluch liegt auf uns, auf uns allen, Vater eingeschlossen«, sagte sie.
    »Du meinst wegen dieser Erzählung? Auf mir auch?« fragte ich erschrocken.
    »Ja, klar, du hattest auch von Anfang an eine Nummer in diesem Unglücksroulette.«
    »Alles Einbildung!«
    »Fühlst du dich denn nicht verbunden mit Saki, mit Otohiko, mit mir, als ob wir alte Bekannte wären?«
    Das mußte ich zugeben.
    Sui sah mich mit stillen Augen an, so als schaute sie durch mich hindurch in den Himmel, und sagte nebenbei:
    »Diese Art von Autosuggestion, die man nicht abschütteln kann, das nennen die Leute Fluch, glaub mir.«
    Ich nickte, ohne etwas zu erwidern. Wie um auf ihre ausweglose Stille zu antworten, wehte ein Wind, die Wasseroberfläche erzitterte und kräuselte sich.
    Auf einmal schoß mir durch den Kopf:
    Die beiden werden sich wahrscheinlich das Leben nehmen.
    Ich war beinahe sicher. Wenn alles so weiterliefe wie bisher, würde es vermutlich so kommen. Ich behielt das aber für mich. Doch der Gedanke, ihnen nur begegnet zu sein, um dies zu erkennen, war mir schrecklich.
    »Fahren wir?« sagte Sui und stand auf.
    »Ja.« Ich kratzte mich am Bein, weil mich eine Mücke gestochen hatte, und folgte ihr. Ihre abweisende, sich langsam entfernende Gestalt wirkte dünn und schnippisch, wie ein reinrassiger Pudel.
    Im Auto erinnerte ich mich plötzlich an das seltsame Telefonat und fragte: »Hast du mich mal im Seminar angerufen?«
    Sui nickte, das Steuer fest im Griff.
    »Wieso hast du denn aufgelegt, als ich drankam?« fragte ich.
    Sui lächelte. »Ich wollte mich bloß davon überzeugen, daß du tatsächlich existierst, in dieser Stadt, auf dieser Welt. Aber als ich dann deine Stimme hörte, bin ich nervös geworden und hab aufgelegt.« Sie lachte verlegen.
    Nachhausefahren ist irgendwie immer langweilig. Und ein bißchen traurig. Die weißen Häuserreihen rauschten vorbei, und es wurde langsam dunkel. Vor dieser Kulisse bekam ich allmählich den Eindruck, alles, was sie gesagt hatte, unheimlich gut zu verstehen.
    »Ich, ihr, alles ist verrückt. Gerade wart ihr noch in dem Buch, und jetzt seid ihr ihm entstiegen, redet und was noch alles. Sogar ich selbst scheine in das Buch hineingeraten zu sein«, sagte ich.
    »Böses Omen!« Sie lachte.
     
    Wir verabschiedeten uns an der Kreuzung, bis zu der sie mich ursprünglich hatte bringen sollen. Sie ließ mich aussteigen, sagte »Bis bald!« und rauschte davon. Diese ausgesprochen kurz angebundene Verabschiedung frustrierte mich etwas. Ich ging Richtung Wohnung, ohne mich noch einmal umzusehen, doch als ich gerade in meine Gasse einbiegen wollte, hupte es.
    Ich fuhr herum und sah Sui mit ihrem Wagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor einer Ampel stehen. Sie hatte anscheinend gedreht und winkte mir bei

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