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N. P.

N. P.

Titel: N. P. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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Schein des Kopiergeräts, der über mein Gesicht wanderte, hin und her, hin und her. Jedesmal, wenn jemand den Laden betrat, schwappte Wind- und Regenrauschen herein und legte sich auf die Begrüßungsfloskel des Verkäufers. Der nasse Boden blitzte weiß im Neonlicht.
    Ohne Unterlaß kämpfte ich mit den Blättern – absolute Konzentration. Alles kopiert – alles erledigt, bildete ich mir am Ende ein. Ein erhebendes Gefühl! Ich ging zur Kasse, bezahlte, schob die blendend weißen Papierstöße in die Plastiktüte und ging hinaus.
    Der Regen hatte etwas nachgelassen, und in den Häuserschluchten im Westen zeigte sich schwach ein hellorangefarbener Streifen.
    So, jetzt trink ich irgendwo noch einen Tee und geh nach Hause, dachte ich mir und hatte gerade einen Schritt getan, als …
    … hinter mir plötzlich unheimlich energische Schritte näher kamen und mich – Plong! – irgend etwas am Hinterkopf traf. Es hatte nicht besonders weh getan, aber vor lauter Schreck fand ich mich auf den Knien wieder. Neben mir schlug etwas auf. Eine Anderthalb-Liter-Plastikflasche aus dem Supermarkt – Oolongtee.
    Ich sah mich um, immer noch auf allen vieren. Nasses Pflaster, weiße, verführerische Beine, die mir bekannt vorkamen. Langsam hangelte sich mein Blick an ihnen hoch.
    »Was soll denn das?« Mit Mühe gelang es mir, relativ gelassen zu bleiben. »Das tut doch weh, was denkst du dir eigentlich!?«
    Es war Sui.
    Sie sah schrecklich aus. Kreidebleich und ganz angespannt, aber trotzdem irgendwie abwesend.
    »Verfluchter Mist! Alles naß!« Ich nahm meine Tüte und stand langsam wieder auf. In dem Moment, da unsere Gesichter auf gleicher Höhe waren, fing Sui an zu weinen. Explosionsartig brach es aus ihr heraus. Sie schrie wie ein Baby. Und das, wo wir uns erst zum zweiten Mal sahen!
    Die Leute, die vorbeigingen, starrten uns an. Allmählich wurde mir das peinlich, deshalb zog ich sie hektisch unter ein Garagendach. Mit einem Mal wurde das Tröpfeln des Regens von den düsteren Betonwänden verschluckt. Statt dessen hallte Suis Heulen in dem viereckigen Kasten tausendfach wider und schwoll überlaut an. Inmitten des Geruchs nasser Autos beschlich mich langsam, aber nachdrücklich dieses Gefühl, das eine Mutter mit einem tobsüchtigen Kind haben muß, eine Mischung aus Verzweiflung und Unverständnis. Erst schlägt sie mich, und dann heult sie auch noch!
    »Was ist denn bloß los, red endlich!«
    Sui antwortete wütend: »Du Lügnerin! Hinter meinem Rücken Kopien zu machen! Du mißtraust mir wohl!?«
    »Was is los?« Verblüfft fragte ich noch einmal nach.
    »Du hast gedacht, ich würd sie klauen!« fuhr sie unter Schluchzen fort.
    »Blödsinn …«, hatte ich schon begonnen, als ich merkte, daß ich doch tatsächlich im Begriff stand, mich zu verteidigen! Ich laß mir wirklich alles einreden! Allmählich wurde mir dieser Charakterzug einfach lästig.
    »Von dir brauch ich mir nicht vorschreiben zu lassen, welche von meinen Papieren ich kopieren darf und welche nicht!« sagte ich.
    »Du hast gesagt, wir sind Freundinnen!« warf mir daraufhin eine knallrote, mit ganzem Körper gestikulierende Sui an den Kopf.
    »Hab ich nicht!« schrie ich. Erschreckend laut hallte meine Stimme durch die kleine Garage. Als handelte es sich um einen wildfremden Menschen, noch dazu meilenweit entfernt, den ich zur Vernunft bringen mußte. Sie zuckte zusammen – nur für den Bruchteil eines Augenblicks, doch mir war es nicht entgangen. Ich dachte nach. Vielleicht hatte ich an jenem Tag wirklich von Freundschaft gesprochen. Und wenn nicht mit den Lippen, so doch mit meinen Augen, mit meinem Lachen. Für sie war das wahrscheinlich Beweis genug.
    Ich kramte die Kopie von Shōjis Vermächtnis aus der Plastiktüte und gab sie ihr. Perplex nahm sie sie entgegen und wollte irgend etwas sagen. Dieser Gesichtsausdruck – so taufrisch wie der Moment, in dem der Mensch die Sprache entdeckt.
    Doch plötzlich, noch bevor sie einen Ton herausgebracht hatte, hielt sie sich die Hand vor den Mund und sah zu Boden.
    »Ist dir schlecht?« fragte ich und mußte an Otohiko denken: Gleich und gleich gesellt sich gern! Beide besaßen kaum Selbstdisziplin und schreckten nicht vor drastischen Aktionen zurück.
    »Nee …«, sagte Sui. Blut lief ihr über die Finger und tropfte wie Tinte vom Kinn auf den Betonboden zu unseren Füßen. »Ich hab mich aufgeregt, da krieg ich immer Nasenbluten«, erklärte sie betreten.
    »Wieso guckst du denn nach unten, wenn du

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