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N. P.

N. P.

Titel: N. P. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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Leben zusammen gewesen sind, dann wär das das Abstoßendste, das ich mir denken kann, aber es handelt sich ja hier um Menschen, die sich nie vorher gesehen haben. Außerdem spielt da noch Otohikos kompliziertes emotionales Verhältnis zu Vater eine Rolle, was übrigens auch für mich gilt. Wir waren sauer, daß er uns als Kinder im Stich gelassen hatte, aber gleichzeitig faszinierten uns seine Erzählungen, und so weiter. Ich kann Otohiko sogar ein bißchen verstehen. Die achtundneunzigste Erzählung ist schon toll. Surrealistisch und romantisch, wahrscheinlich Vaters beste. Und dann hat sich diese Story in Otohikos Kopf mit Sui und seiner Erinnerung an Vater vermischt – er mußte sich ja verlieben!«
    »Du überraschst mich«, sagte ich. »So vom Eindruck her dachte ich, du hättest strengere Moralvorstellungen.«
    »Ich?«
    »Ja.«
    »Tja, man kann nie wissen, bevor man die Leute richtig kennenlernt«, lachte Saki. »Außerdem muß man sich von anderen überraschen lassen können!«
    »Genau!« Ich lachte.
    »Aber ich hab Angst«, sagte Saki. – »Daß sie sich umbringen werden.«
    Sie dachte offensichtlich dasselbe. Ich nickte vielsagend.
    »Man muß einfach daran denken, nicht?«
    »Ja. Ich glaub auch, die zwei spielen mit dem Gedanken, sich umzubringen. Je länger das so weiterläuft, hab ich das Gefühl, und je tiefer sie in die Sache reinrutschen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß sie so weit gehen werden. Ist nur so ein Gefühl, aber …«
    »Noch scheint der Punkt zwar nicht erreicht …«, sagte Saki leise. – »Merkst du, wenn man sich in einem großen Raum wie hier unter vier Augen unterhält, schallt es immer so furchtbar, daß man denkt, man würde streng Geheimes verraten.«
    »Und wenns wirklich Geheimnisse sind?« lachte ich.
    »Ach, soo wichtig ist die ganze Sache auch wieder nicht. Komm, laß uns mittagessen gehen!«
    »Gut.«
    Wir standen auf und verließen den Raum.
     
    In dem Augenblick, da wir nach draußen traten, traf uns das grelle Licht wie ein Blitzschlag. Eine Weile waren wir geblendet, aber nach und nach wurde der gewohnte Sommercampus wieder sichtbar. Auf dem menschenleeren Sportplatz roch es nach Gras. Der Wind trug den hellen Klang metallener Baseballschläger, Klatschen und Geschrei herüber. In der Oberschule nebenan wurde trainiert.
    »Der Wind tut gut!« sagte Saki, und ich betrachtete dabei ihre hohe, vom Wind umspielte Stirn. Mir wurde seltsam zumute, ein Gefühl, das in Worte gekleidet etwa so lauten würde: Gestern noch unbekannte Freundin, geboren in der Fremde.
    Das wirkliche Gefühl war natürlich schneller, zarter, schmerzlicher. Es traf mitten ins Herz.
    Zwischen der Uni und dem Schulgebäude konnte man ein exaktes Viereck Himmel sehen. Darin ging sacht und leise ein noch ganz blasser, weißer Mond auf. Wolken zogen vorüber.
    Dieser Anblick, den außer uns niemand hier und jetzt sehen konnte, war von wahrhaft zwingender Schönheit.
    Das ging mir durch den Kopf, als wir gemächlich den Sportplatz überquerten.

 
     
     
    N ach langer Zeit goß es wieder einmal in Strömen, was mich an Otohikos Besuch beim letzten großen Regen erinnerte. Gegen Abend nahm das Wetter taifunartige Dimensionen an. Es blitzte und donnerte.
    Ich saß in meinem Zimmer und hörte zu, wie der Regen in großen Güssen das Pflaster wusch. Hin und wieder leuchtete der Himmel kurz auf. Obwohl es nicht einmal fünf Uhr war, schien sich Nacht auf die Welt gesenkt zu haben.
    Ich mußte aber unbedingt am selben Tag noch Kopien von den Übersetzungen machen, die ich gerade fertiggestellt hatte. Und das bei dem Regen! Widerwillig suchte ich die Blätter zusammen, als mir plötzlich einfiel, daß ich bei der Gelegenheit gleich eine Kopie von Shōjis Übersetzung machen könnte. Nicht nur, weil Otohiko das gesagt hatte – ich hielt es mittlerweile selbst für keine so schlechte Idee. Außerdem kommt vielleicht bald der Tag, dachte ich mir, um sie Saki oder Sui zu zeigen.
    Ich nahm die beiden Papierstöße, meine Übersetzungen und Shōjis Vermächtnis, packte sie in eine Plastiktüte, damit nichts naß wurde, zog meinen Regenmantel an und verließ das Haus.
    Es schüttete wie aus Kübeln. Ich rannte bis zu dem Supermarkt in der Nähe, der einen Kopierer hatte, stürzte mich ins Trockene, stellte den triefenden Schirm ab und begann zu kopieren.
    Grelles Licht im Laden, draußen schwarzer Himmel. In allen Regenbogenfarben schillerndes Scheinwerferlicht auf nassem Asphalt. Der grüne

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