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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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bsuffa macha, des kannt fei aa funktioniern.»
    «Aber ich muss heute noch nach München fahren.»
    «Des konnst eh vagessn», erklärt Hias. «Du schlafst beim Wolfi aufm Hof, und morgn stehst auf und fahrst nach Minga.» Er wendet sich an einen der Männer hinter mir. «Franzl, holst amoi an Enzian und a oide Tischdeckn?»
     
    Eine Viertelstunde später habe ich einen halben Liter Enzianschnaps in meinem bis dato nüchternen Magen. «Des is a guada, ge?», fragt Franzl von hinten. Ich kichere. Mir ist ein bisschen schwindelig.
    Hias setzt mich seitwärts auf den Stuhl. Meine Schulter tut zwar noch weh, aber der Enzian scheint zu wirken. Ich habe einen Schluckauf. Wieder muss ich kichern. Hias nimmt meinen ausgekugelten Arm und legt ihn behutsam über die Lehne, sodass die Stuhlkante in der Achselhöhle liegt. Meine Fingerspitzen zeigen nach unten. Hias stellt sich hinter mich und legt eine Hand auf meinen Oberarm. «Au!», sage ich und: «Hicks!» Dann schaue ich zu Wolfi, der jetzt auf der anderen Seite der Lehne neben mir hockt.
    In diesem Augenblick zieht dieser meinen Arm mit all seiner Bauernkraft nach unten, heraus aus dem Schultergelenk. Ich schreie vor Schmerz auf, meine Kopfhaut kribbelt, blaue Sterne flackern vor meinen Augen. Wolfi lässt den Arm los, Hias übernimmt und drückt den Gelenkkopf zurück in die richtige Position. Ich fühle ihn einrasten und kippe rückwärts vom Stuhl.
    Was danach passiert, bekomme ich nur noch verschwommen mit. Hias klappt meine Augenlider hoch, fühlt den Puls und zeigt mir ein paar Finger, die ich zählen soll. Dann faltet er die Tischdecke zu einer Schlinge und knotet meinen Arm an den Oberkörper. Kurz darauf finde ich mich erschöpft auf der Rückbank von Wolfis Auto wieder. Als Nächstes liege ich schon in einem Bett aus Holz mit einer riesigen, blumig duftenden Daunendecke und einem Maßkrug voller Wasser auf dem Nachttisch. Dann wird es dunkel.
    Am nächsten Morgen weckt mich ein Hahnenschrei. Mein Arm tut noch weh, aber ich kann ihn schon wieder ein wenig bewegen. Ich folge dem Kaffeeduft in eine Bauernküche, wo mich die ganze Familie Altinger in bester Laune erwartet. «Du bist oana von die wenigen, die wo sich beim Goaßlschnoizen seibst verletza», begrüßt mich Wolfi. Die Kinder lachen.
    Nach einem Frühstück mit exzellenten Landeiern fährt er mich zu meinem Mietwagen. Ein Glück, dass diese modernen Autos alle ein Automatikgetriebe haben. «Des is tragisch mit deim Arm, aba des Goaßlschnoizen dad i erst amoi bleim lassn», rät Wolfi mir zum Abschied. Ich danke ihm für alles und verabschiede mich mit der Linken.
    In München angekommen, fahre ich sofort zum Arzt. Der staunt, als ich ihm die Geschichte erzähle, und röntgt meine Schulter. «Da haben Sie wirklich Glück im Unglück gehabt. Ihre Sehnen und Bänder sind völlig in Ordnung.» Er verschreibt mir eine Schlinge, aber ich bleibe aus nostalgischen Gründen lieber bei Franzls Tischdecke.
    Der doppelte Lutz amüsiert sich köstlich über mein Missgeschick und stellt mir ein sportmedizinisches Trainingsprogramm zusammen. Nach nur zehn Tagen kann ich den Arm wieder einwandfrei bewegen. Ein Glück, denn Knolls Hochzeit rückt immer näher.

DES WAMMERL ZU KLOA, DA BART ZU KUAZ
    D er bekannteste bayerische Brauch neben dem Fingerhakeln ist das Schuhplatteln, ein alter Volkstanz, bei dem sich Männer in Lederhosen selbst schlagen. (Das gibt’s auch in Berlin, wenn ich nicht irre. Aber noch nicht so lange.) Im Internet finde ich außerdem heraus, dass Schuhplattler, grob ins Deutsche übersetzt, etwa «Schuhschläger» bedeutet.
    Ich recherchiere weiter: Der Legende nach kam die Kaiserin von Russland im Jahr 1838 zur Kur nach Wildbad Kreuth, wo heutzutage die CSU ihre Versammlungen abhält. Weil sich die Deutschen damals noch über Besuch von russischen Herrschern freuten, führten ein Männlein und ein Weiblein der Kaiserin einen fröhlichen Volkstanz vor, der die Unbeschwertheit der Dorfbevölkerung zum Ausdruck bringen sollte. Aufgepeppt wurde der Tanz durch ein Solo des Mannes mit spontanen akrobatischen Einlagen. Da es damals keine Musikvideos gab, an denen sich der Tänzer orientieren konnte, schlug er sich in Anlehnung an die animalischen Bewegungen unserer Vorfahren instinktiv mit der flachen Hand auf Oberschenkel, Waden und Schuhsohlen, dass es nur so klatschte. Auf die damalige russische Kaiserin muss der Tänzer in etwa so anziehend gewirkt haben wie Justin Timberlake auf die jungen

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