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Nach dem Amok

Titel: Nach dem Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriam Keil
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da sein.«
    Ich nicke gehorsam, fast so wie vorhin Janniks Vater mir zugenickt hat, und gehe auf Janniks Zimmertür zu. Dahinter höre ich Musik. I’d like to make myself believe that planet Earth turns slowly … Ich bleibe einen Moment vor der geschlossenen Tür stehen. It’s hard to say that I’d rather stay awake when I’m asleep, ‘cause everything is never as it seems …
    Ich mache unser Klopfzeichen, zwei Mal mit den Fingerknöcheln, ein Mal mit der flachen Hand, dann öffne ich die Tür.
    Please take me away from here …
    Jannik schaltet die Anlage ab. Früher hätte er sie nur leiser gemacht und wir hätten gemeinsam die Fireflies von Owl City zu Ende gehört.
    Â»Hey«, sagt er.
    Â»Hey, du«, sage ich und setze mich zu ihm aufs Bett.
    Â»Wie geht es dir?«, will er wissen.
    Â»Ganz okay«, sage ich ebenso gehorsam wie schon vor fünf Minuten zu seiner Mutter.
    Â»Ganz okay sieht anders aus.«
    Er nimmt mich in den Arm. Ich habe nicht vergessen, was ich mir vorgenommen hatte. Vielleicht ist das jetzt der richtige Moment.
    Â»Ich weiß, was Sandra über mich gesagt hat. Dass sie behauptet, ich hätte jemandem am Telefon gestanden, von Davids Plan gewusst zu haben. Warum hast du mir nichts davon erzählt?«
    Â»Weil es nicht wichtig ist.«
    Â»Sollte ich das nicht selbst entscheiden dürfen?«
    Jannik lässt den Arm sinken, und mein Rücken fühlt sich augenblicklich ein bisschen kalt an, dort wo sein Arm gerade noch gewesen ist.
    Â»Damit dich das noch mehr runterzieht? Seit Wochen kommst du nicht raus aus deinen Grübeleien. Du bist mal einigermaßen gut drauf, dann wieder am Boden zerstört. Wie soll das jemals besser werden, wenn noch Öl ins Feuer gegossen wird?«
    Â»Wie stehst du zu dem, was sie gesagt hat?«
    Â»Maike, es ist ja wohl offensichtlich, dass es sich um ein Missverständnis handelt.«
    Â»Ein Missverständnis. Und wer hat was missverstanden?«
    Â»Sandra hat das Telefonat, das sie mitangehört hat, irgendwie falsch interpretiert.«
    Â»Es gab überhaupt kein Telefonat! Weder mit so einem Inhalt noch mit einem auch nur ansatzweise ähnlichen!«
    Â»Sie würde sich so was doch nicht ausdenken.«
    Â»Doch, würde sie! Sie hat es mir gegenüber sogar zugegeben. Sie würde alles tun, um mich bei dir schlecht zu machen.«
    Â»Warum sollte sie das tun?«
    Â»Weil sie in dich verknallt ist!«
    Â»Maike«, seufzt Jannik, »das hatten wir doch alles schon.«
    Ich fange an zu weinen. Ich kann es nicht aufhalten, es bricht aus mir heraus, als wäre mein Körper an einer Stelle durchlässig, als wäre da irgendwo ein Leck. Wie bei einem schlimmen Nasenbluten, das sich in den ersten Minuten einfach nicht stoppen lässt.
    Jannik sitzt hilflos neben mir. Ich weiß, dass ich ihn überfordere. Seit Wochen tue ich das.
    Â»Du bist komplett verunsichert«, sagt er dann. »Ich kapiere schon, dass man da manches in den falschen Hals bekommt. Aber es muss doch irgendwann auch mal wieder besser werden, du schadest dir nur selbst damit.«
    Der Weinkrampf ebbt allmählich ab. Ich bin froh darüber. Jannik zieht mich an sich, wir legen uns hin, ich rieche den vertrauten Geruch seiner Bettwäsche und spüre seine Wärme neben mir. Das Weinen hat mich auf ungewöhnliche Weise erschöpft, mir fallen beinahe die Augen zu. Jannik streichelt über mein Haar und flüstert beruhigende Worte in mein Ohr. Ich könnte endlos lange so hier liegen, ich finde langsam zu einer Ruhe, die ich seit Ewigkeiten nicht mehr erlebt habe. Ich spüre seine Hände auf meinem Rücken, seine Lippen küssen meinen Hals. Es fühlt sich immer noch gut an, doch ich beginne, aus der angenehmen Ruhe aufzutauchen, obwohl ich das noch nicht möchte. Janniks Worte werden anders, sein Atem an meinem Ohr wird schneller, seine Hand schiebt sich unter meinen Pulli. Ich schrecke hoch wie ein Schlafwandler, den man unsanft geweckt hat.
    Â»Hör auf!«, sage ich.
    Das Schluchzen steckt schon wieder in meiner Kehle, ich schlucke es runter. Er setzt sich neben mir auf.
    Â»Wir sollten langsam wirklich versuchen, wieder zur Normalität überzugehen«, sagt er mit einer Stimme, die um Beherrschtheit bemüht ist.
    Â»Und Normalität ist für dich Sex?«
    Â»Auch.«
    Â»Ich kann aber nicht! Ich kann das einfach nicht!«
    Â»Wir

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