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Nach dem Amok

Titel: Nach dem Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriam Keil
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ich Papa rufen, die Tür zu meinem Zimmer nebenan quietscht ein bisschen.
    Ich versuche, mich unter das Bett zu quetschen. Es geht nicht. Er darf mich hier nicht erwischen. Davids Zimmer ist tabu, es würde ihn viel zu sehr aufregen, wenn er mich hier entdecken würde. Der Schrank? Nein, auch keine gute Idee. Er darf mich weder hier im Raum vorfinden noch bemerken, dass die Zimmertür nicht abgeschlossen ist, denn auch das würde mich verraten.
    Seine Schritte wandern hinüber zum Bad, er ist jetzt einige Meter von Davids Zimmer entfernt. Ich nutze die Gelegenheit, laufe zur Tür, drehe den Schlüssel ganz vorsichtig im Schloss und schließe von innen ab, so leise wie möglich. Hat er etwas gehört?
    Â»Maike?«
    Er kommt näher, die Klinke senkt sich vor meinen Augen. Ich weiche von der Tür zurück, kauere mich neben das Bett auf den Boden und werde mir der kleinen, aber unbestreitbaren Parallele zu dem Tag, an dem Reinhardt uns im Chemiesaal einschloss, erst bewusst, als sich die Schritte bereits wieder von der Tür entfernt haben.
    Â»Ich kann sie nicht finden«, höre ich ihn sagen.
    Ich sitze da unten neben dem Bett, mit Beinen, die sich taub anfühlen. Ich zittere am ganzen Körper und möchte schreien, zwischen all diesen für die Ewigkeit konservierten Gegenständen, die einem Mörder gehört haben, möchte ich nur noch schreien.

9
    Â»Ich habe noch etwas mit euch zu besprechen.«
    Die Marberg trägt wie immer ein Kostüm im Businesslook und wie immer hat es eine scheußliche Farbe. Auch heute wieder: ein in seiner Fadheit kaum zu übertreffender Beigeton. Dazu schminkt sie sich übertrieben, als wolle sie damit den Kontrast zu den langweiligen Farben ihrer Kleidung ausgleichen. Auf den nicht unerheblichen Falten in ihrem Gesicht sieht das Make-up wie eine Maske aus, grellroter Lippenstift, viel Puder und Wimperntusche, ein dicker grüner Lidstrich. Zudem ist sie ziemlich drall und hat einen ebensolchen Vorbau. Eine Zeit lang war an der Schule im Zusammenhang mit ihrem Namen hin und wieder das Wort Puffmutti zu hören gewesen, dieser Spitzname hat sich allerdings nie etablieren können, dafür hat man zu viel Respekt vor ihr, und die beigefarbenen Kostüme sind einfach zu spießig.
    Es herrscht bereits Aufbruchstimmung, in wenigen Minuten ist die Stunde zu Ende. Die Marberg hat einige Mühe, sich Gehör zu verschaffen.
    Â»Wir sind noch nicht fertig!«
    Pias Mäppchen kracht auf den Boden. Irgendwie hat sie in letzter Zeit ein Händchen dafür, alles vom Tisch zu fegen.
    Â»In den vergangenen Tagen ist mir aufgefallen, dass einige Vorwürfe gegenüber Maike laut geworden sind.«
    Ich höre meinen Namen und horche auf. Was sagt sie da? Was soll das?
    Â»Ich weiß nicht, wie es hier in der Klasse aussieht, aber außerhalb der Klasse ist mir so einiges zu Ohren gekommen. Ihr wisst doch noch, wie wir damals darüber gesprochen haben, dass Maike jetzt eure Unterstützung braucht.«
    Das peinliche Gespräch nach meiner Rückkehr in die Schule fällt mir ein. Damals habe ich es gar nicht als so peinlich empfunden, da war noch alles ganz stumpf in mir, ganz taub. Ich hätte nackt über den Marktplatz laufen können und es hätte mir kaum etwas ausgemacht, glaube ich.
    Â»Die braucht sie auch jetzt noch. Maike trifft keine Schuld an dem, was ihr Bruder gemacht hat, und das wisst ihr auch. Also, was ist da los? Warum hat sich die Stimmung so verändert?«
    Niemand sagt etwas. Ich würde am liebsten im Boden versinken. Als ich vorsichtig nach links und rechts blicke, wobei ich hauptsächlich die Augen und möglichst wenig den Kopf bewege, starren all diejenigen, die ich in mein Blickfeld bekomme, auf die Tischplatte vor sich. Das tun sie ausnahmslos und zusätzlich haben sich die meisten noch eine weitere Übersprungshandlung ausgesucht. Markus kaut auf seinen Lippen herum, Basti reibt mit dem Finger über den Tisch, als wolle er etwas wegwischen, Lena zupft an ihrem linken Ohr. Charlotte malt Karos und scheint sich dessen im Gegensatz zu sonst äußerst bewusst zu sein. Vielleicht unterstelle ich ihr das aber auch nur. Ach, ich weiß auch nicht.
    Â»Bitte, ich mache euch doch keinen Vorwurf«, setzt die Marberg ihren Monolog fort. »Aber wir müssen darüber sprechen. Das geht so nicht weiter. Wenn etwas vorgefallen ist, dann ist niemandem geholfen, wenn ihr

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