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Nach dem Amok

Titel: Nach dem Amok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriam Keil
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tät ich kurzen prozes machen. die lernen bloss aus schmerzen. also flenn hier nich rum wie so ne pussi! mach die spackos alle!
    Wie er sich das vorstellt, wenn es drei gegen einen steht, das sagt er nicht. Ich glaube, der hatte keine Ahnung, dass David sich eine Waffe besorgen könnte (von der die Polizei nur herausgefunden hat, dass sie dem rechtmäßigen Eigentümer gestohlen wurde und bis zu Davids Tat noch bei keiner anderen Straftat zum Einsatz gekommen war) und nicht nur mit den drei Erpressern kurzen Prozess machen würde.
    Schließlich klicke und scrolle ich mich noch mal bis zum frühesten Blogeintrag durch. Damals hätte man noch etwas verhindern können. Auch viel später noch, wahrscheinlich. Unter dem Eintrag wird angezeigt, dass es drei Kommentare gibt. Ich klicke darauf.
    Warum nennst du dich Exoplanet?, will eine Marie wissen . weil ich wie einer bin., lautet die Antwort. ich bin ein planet außerhalb dieses sonnensystems. ich gehöre nicht dazu. fühlt sich beschissen an. als würde man ein anderes zentrum umkreisen als alle anderen.
    Du bist ganz schön depri. , kommentiert Marie weiter. Oder eingebildet.
    Exoplanet antwortet nicht mehr.

15
    Im Vorraum höre ich die Stimmen von zwei Mädchen.
    Â»Was denkt die sich eigentlich«, sagt die eine. »Kommt jeden Tag rotzfrech hierher, als ob nichts gewesen wäre. Man sollte sie von der Schule schmeißen.«
    Â»Du glaubst echt, dass sie davon wusste?«, fragt die andere.
    Ich reiße ein Stück Klopapier von der Rolle ab und wische ein paar undefinierbare feuchte Hinterlassenschaften irgendeiner Vorgängerin von der Klobrille.
    Â»Natürlich! Sie hat’s sogar zugegeben. Aber davon abgesehen wird man so was doch auf alle Fälle bemerken. Ich meine, wenn der eigene Bruder sich eine Knarre besorgt und ein Massaker plant, dann kriegt man das ja wohl mit.«
    Ich verhalte mich ganz still in meiner Kabine. Die beiden kommen näher, verlassen den Vorraum und besetzen zwei Kabinen schräg gegenüber meiner.
    Â»Hm, glaub ich auch. Außer er hat es echt gut verheimlicht.«
    Â»Wie gesagt, sie hat’s zugegeben.«
    Ich weiß nicht, wer die beiden sind. Da ich mindestens eine Minute vor ihnen die Toilettenanlage betreten habe und sofort zu den Kabinen durchgegangen bin, können sie nicht wissen, dass ich zufällig hier bin und sie höre. Es ist die große Anlage, die vom Pausenhof abgeht, mit mindestens zwanzig Kabinen. Ständig laufen Schülerinnen herein und heraus, pausenlos klappen Türen auf und zu.
    Â»Aber warum ist sie dann noch hier?«
    Â»Weil sie es jetzt wieder leugnet und man ihr wohl nichts beweisen kann.«
    Â»Ich bin so froh, dass ich keinen von denen kenne, die verletzt wurden. Oder die Tote.«
    Â»Ich auch.«
    Die eine betätigt die Spülung. Ein paar plappernde und lachende Mädels kommen vom Hof herein.
    Â»Jemand sollte ihr mal die Meinung sagen.«
    Â»Ist schon passiert. Scheint sie aber nicht sonderlich beeindruckt zu haben.«
    Noch eine Spülung. Kabinentüren, die entriegelt und geöffnet werden.
    Â»Hast du eigentlich inzwischen den Klingelton?«
    Â»Ja, musst du dir gleich mal anhören.«
    Sie waschen ihre Hände an den Waschbecken im Vorraum. Ich habe noch immer keine Ahnung, wer die beiden sind, ich weiß nur, dass sie eigentlich überhaupt nichts über mich wissen und doch alles zu wissen glauben. Ich lehne den Kopf gegen die mit Sprüchen vollgekritzelte Wand der Kabine. Sie fühlt sich angenehm kühl an.
    Erst als ich sicher bin, dass sie gegangen sind, traue ich mich aus der Kabine heraus. Bisher war mir nur klar gewesen, dass es an der Schule einige Leute gibt, die ein Problem mit mir haben. Freunde von dieser Katja, Freunde von Felix, Freunde von Sandra. Doch mir war nicht bewusst gewesen, dass es auch welche gibt, die offenbar zu keiner dieser Gruppen gehören und mich trotzdem verachten. Und die das nicht offen sagen. Theoretisch könnte mich die komplette Schule hassen und ich würde es gar nicht bemerken.
    Als ich wieder auf dem Schulhof bin, kommen mir die anderen noch fremder vor als sonst, mit ihrem lauten Lachen, ihren Witzen, ihren zappeligen Bewegungen. Jeder Blick, jedes Getuschel scheint mir zu gelten. Noch sieben Minuten bis zum Klingeln. Ich weiß kaum, wie ich sie überstehen soll, ich möchte am liebsten sofort ins Schulgebäude hinein, in einen der

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