Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
was anfangen können, diese Mail an die Lechner hat sie vor zwei Wochen geschickt – danach war Funkstille. Keine Antwort aus Berlin, keine weiteren Mails. Und wer ist der Typ, der sie angeblich abhört und der nicht so schnell aufgibt? Mensch, Anna, das ist doch was!«
»Ja, du hast recht. Entschuldige, ich bin ein wenig verlangsamt heute. Druck mir das aus, und dann lass mich ein wenig nachdenken, okay?«
Kaum hatte der Computer-Kurti das Büro verlassen, machte sich Anna einen starken Kaffee, durchwühlte ihre Schreibtischschublade, bis sie einen alten Müsliriegel fand, und las die ausgedruckte Mail noch einmal Wort für Wort durch. Und plötzlich sah sie ihn vor sich: den gutaussehenden Hans-Günther Steiner vor seiner Fensterfront mit Blick auf die Secession und seinem siegessicheren Lächeln. Er war der Typ, der sich niemals kampflos ergab, jetzt musste man nur noch rausfinden, was für einen Kampf die drei miteinander führten. Sie spürte, wie ihre Kraft zurückkehrte, und ohne groß zu überlegen, drückte sie auf ihrem Mobiltelefon die Nummer von Thomas Bernhardt.
»Na, hast du mir verziehen?«
»Ich hab jetzt keine Zeit für deine Spielchen! Wir müssen reagieren! Die beiden Damen haben irgendwas mit dem Steiner getrieben… äh, ich meine, nicht so getrieben, wie du jetzt meinst, aber da lief etwas zwischen denen und… Wo bist du eigentlich?«
»Ich wollte gerade zurück in euer Büro.«
»Nein, wir müssen zu Steiner!«
»Den laden wir vor.«
»Nein, lass uns da jetzt hinfahren, Überraschungseffekt! Du musst auf mich warten! Ich spiel wieder mit, keine Widerrede!«
»Würd ich mich nie trauen. Okay, wir warten. Wir treffen uns im Café Museum!«
»Bin schon unterwegs!«
Anna schnappte Jacke und Mütze, schlang sich den Schal um den Hals und rannte aus dem Präsidium. Am Taxistandplatz standen drei Wagen, Anna sprang in den ersten, beugte sich zum Fahrer vor. »Ich muss in fünf Minuten im Café Museum sein, Sie sehen aus, als wären Sie der Schnellste hier.«
Der Taxifahrer schob seine speckige Mütze in den Nacken und brachte seine geschätzten hundertzwanzig Kilo in Position. »Das hat mir noch keine g’sagt, das gefällt mir. Na dann, junge Frau, schnallen Sie sich an.«
Ungeachtet der schneeglatten Straßen jagte er sein altersschwaches Mercedes-Taxi den Franz-Josefs-Kai entlang, schlitterte bei der Urania um die Kurve, um dann – laut hupend und immer wieder spurwechselnd – den Parkring hochzubrausen. Sie brauchten für die Fahrt unglaubliche zehn Minuten, so dass Anna das Kaffeehaus genau in dem Augenblick betrat, als Thomas Bernhardt ihrer Kollegin Gabi Kratochwil galant aus der Jacke half.
»Die könnts gleich wieder anziehen, ich bin schon da. Auf geht’s, jetzt hol’ma uns den Typen.«
»Hey, wieder ganz die Alte, da bin ich aber froh.«
Der Ober wieselte um die drei herum und wollte sie zu einem freien Tisch bringen, doch Anna wedelte ungeduldig mit der Hand und stieß die Tür auf. Während sie durch die Unterführung am Karlsplatz liefen, erzählte Anna den beiden von der Mail, die sie in Gilda Beyers Notebook gefunden hatten. Bernhardt wiederum zog das verpixelte Foto von Hans-Günther Steiner aus der Tasche. »Der war in Berlin. Hier steht er vor dem Haus von Sophie Lechner.«
»Damit haben wir ihn! Wir brauchen sofort einen Haftbefehl, wir müssen den Hofrat anrufen. Der Typ haut uns sonst noch ab nach Dubai.«
»Jetzt gehn wir erst mal zu ihm. Der sitzt bestimmt brav in seinem Büro mit seinem Anwalt. Solche Kerle glauben doch, man könne ihnen nichts anhaben. Was ist eigentlich mit deinem Verdächtigen, diesem Souffleur?«
»Ach, das ist vermutlich ein armes Schwein. Der schläft in einer Arrestzelle seinen Rausch aus. Ich glaub, da war ich auf der falschen Spur.«
»Hört, hört, Frau Habel kann auch selbstkritisch sein.«
Anna, die zwei Schritte vor Bernhardt lief, drehte sich zu ihm um und streckte ihm die Zunge raus. Gabi Kratochwil kicherte, worauf der Berliner die Mütze von Annas Kopf schubste – man hätte meinen können, sie seien auf dem Weg zu einer Geburtstagsparty im Wein & Co.
Im Aufzug zum Penthouse der Firma CultureConnect zupften sie an ihren Jacken, und Anna klopfte sich den Schnee von der Mütze. Sie streckte sich und atmete tief durch.
Am Empfang saß die ihr schon bekannte makellose Dame und lächelte ihr unverbindliches Lächeln. Was sie denn für die Herrschaften tun könne? Nein, leider sei Herr Steiner nicht mehr im Büro, und
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