Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
Auto musste Anna gegen Übelkeit ankämpfen – der Mann auf dem Rücksitz neben ihr hatte eine dermaßen strenge Ausdünstung, als hätte er sich seit Wochen nicht gewaschen. Der Geruch von Alkohol und Nikotin drang ihm aus allen Poren. Er hatte den Kopf gegen das beschlagene Seitenfenster gelehnt und war innerhalb von Minuten eingeschlafen.
»Ich fürchte, aus dem bekommen wir nicht mehr viel raus. Wir nehmen seine Daten auf, inklusive Fingerabdrücke. Apropos Fingerabdrücke: Wir schicken den Holzer mit seinen Jungs in den Burgtheaterkeller, vielleicht findet sich ja auf meiner Gefängnistür auch ein Fingerabdruck. Und dann sperren wir den Souffleur zum Ausnüchtern in eine Arrestzelle. Der tut heut keinem mehr was.«
Nachdem sie Roland Fürst einem Beamten übergeben hatten, gingen die beiden hinauf in ihr Büro. Helmut Motzko wurde von einer heftigen Niesattacke übermannt, Anna reichte ihm eine Rolle Küchenpapier. »Sie fahren jetzt mal schön nach Hause, nehmen ein heißes Erkältungsbad und gehen ins Bett. Aspirin und Tee mit Rum und Honig. Morgen brauch ich Sie wieder hier.«
»Aber, ich –«
»Nichts aber, das ist eine Dienstanweisung.«
Als Helmut Motzko das Büro verlassen hatte, setzte sich Anna an ihren Schreibtisch und schaltete den PC an. Der Bildschirm verschwamm vor ihren Augen, ihre Beine fühlten sich plötzlich an, als wäre sie auf einen hohen Berg gestiegen.
»Hey, Frau Habel! Man sagt ja, der Büroschlaf sei der gesündeste, aber willst du nicht lieber nach Hause gehen? Ich hab gehört, du hast eine anstrengende Nacht gehabt?«
Anna schreckte hoch, nur kurz hatte sie den Kopf in die Arme gelegt und war wohl sofort eingeschlafen. »Mensch Kurti, hast du mich erschreckt! Ja weiß denn inzwischen ganz Wien von meiner Nacht im Theater? Das ist ja unmöglich, kann man denn nicht mal ein paar Stunden abtauchen, ohne dass es gleich alle Kollegen erfahren?«
»Du bist vielleicht witzig. Der Hromada hat hier ein Riesensondereinsatzkommando ins Leben gerufen!«
»Nun, jetzt bin ich ja wieder da, und es geht mir hervorragend. Hast du was für mich?«
»Allerdings. Ich hab was Schönes auf diesem sexy kleinen Teilchen für dich.« Er tätschelte mit seinen dicken Händen zärtlich das weiße Notebook, das er auf den freien Schreibtisch gelegt hatte. »Dein Tipp mit dem Kennwort war übrigens nicht schlecht. Fast Giacomo.«
»Was heißt fast?«
»Na, ›Casanova‹ war’s.«
»Nicht schlecht.«
»Da staunst du, was? Das hättest du so einem Nerd wie mir nicht zugetraut. Aber jetzt schau her.« Er schaltete das Notebook an, gab das Passwort ein und tippte ein wenig auf der Tastatur herum, bevor er es Anna hinschob. Die kniff ihre Augen zusammen, um die Schrift lesen zu können.
Liebste Sophie,
Du ahnst nicht, wie sehr ich Dich vermisse und wie sehr ich mich danach sehne, Dich endlich wieder in meinen Armen zu halten. Ohne Dich bin ich nur ein halber Mensch, ein unvollständiges Wesen, und wenn ich in meinen einsamen Nächten wach liege und mir vorstelle, was ich alles mit Deinem Kärper anstellen kännte, muss ich mich beherrschen, um nicht mit dem Kopf gegen die Wand zu schlagen, so sehr begehre ich Dich. Nächstes Mal werde ich Dich mindestens drei Tage ans Bett fesseln, Dich versorgen, verwöhnen und für Deine kleinen Ungehorsamkeiten bestrafen, dass Dir Hören und Sehen vergeht. Bis dahin müssen wir uns aber in Geduld üben, Du darfst mich auch nicht mehr anrufen und mir nicht schreiben. Ich traue ihm mittlerweile zu, dass er uns abhört, ich habe ein wenig das Gefühl, dass er uns auf der Spur ist. So kampflos ergeben sich solche Typen doch normalerweise nicht, warum also hat er so schnell eingelenkt? Ich bin ein bisschen beunruhigt, vor allem mach ich mir Sorgen um Dich, meine Liebste. Du bist ein so zartes und verletzliches Geschöpf, ich muss Dich beschützen. Aber von hier aus kann ich das nicht. Pass auf Dich auf! Bald sind wir am Ziel!
In Liebe Deine Gilda
»Tja, nett oder?« Der Computer-Kurti sah Anna erwartungsvoll an.
»Na ja, ich weiß nicht. Sonst hast du nichts?«
»Spinnst du? Da ist doch alles drin, was der Mensch braucht. Liebe, Verzweiflung, Sadomaso, Unruhe, Angst, ein Ziel – was willst du denn noch?«
»Irgendwas Konkretes. Einen Namen. Hast du zum Beispiel ihre Kontodaten?«
»Ja, hab ich. Völlig unauffällig. Keine hohen Beträge, im Gegenteil, sie hat in den letzten Monaten den Gürtel wohl ein wenig enger schnallen müssen. Aber du musst doch damit
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