Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
Probleme.«
»Was denn?«
»Das können Sie nun glauben oder nicht: Wir wissen es nicht genau. Männergeschichten. Holt mich raus aus Wien, das war ihre Botschaft. Aber in Berlin wurde es nicht besser. Chaos, Angst, aber alles blieb im Dunkeln. Auch aus Berlin wollte sie abhauen.«
»Ich denke, sie wollte an einer Sprechoper im Berliner Theater…«
»Wollte sie eben nicht mehr.«
»Und der Intendant?«
»Hat bis heute, glaube ich, keine Ahnung. Als sie vorgestern bei uns war…«
»Vorgestern?«
»Ja, um die Mittagszeit. Sie war extrem unruhig. ›Ich muss hier weg, einfach mal ganz raus‹, hat sie immer wieder gesagt, und dann hat sie geweint.«
»Das hört sich jetzt aber ziemlich dramatisch an.«
Nun wieder die Blonde. »War’s ja auch. Andererseits kannten wir sie als leicht erregbare Person. Der Unterschied zwischen Alltagswirklichkeit und Bühnenwirklichkeit hat sich bei ihr immer wieder verwischt. Jetzt, wo’s zu spät ist, ist uns erst klargeworden, dass es diesmal ernst war.«
»Also, im Nachhinein: Wovor, vor wem, vor welcher Situation hatte sie Ihrer Meinung nach denn Angst?«
Nun fielen beide wieder in den Synchronmodus.
»Vor den Männern.«
»Vor welchen denn?«
Die Blonde übernahm.
»Sie hat nur allgemein geredet. Die Männer zerstören sie, die Männer töten sie. Wir haben das aber als hysterischen Anfall genommen und dass das alles nur im übertragenen Sinne zu verstehen ist.«
»Aber Sie kennen doch ihre Freunde, Bekannten, Kollegen.«
»Nein, eben nicht. Ihr Privatleben, da wusste man nur, dass es da drunter und drüber ging. Es gab Gerüchte über einen Selbstmordversuch, Selbstverletzungen. Sie soll sogar Pyromanin gewesen sein.«
Die Dunkle löste die Blonde ab, perfektes Timing. »Also, der Tod von Sophie hat uns wirklich getroffen. Wir müssen uns, glaube ich, keine Vorwürfe machen, wir haben gestern den ganzen Tag an ihrem Hollywood-Engagement gearbeitet. Die Chancen waren gar nicht so schlecht. Aber das braucht Zeit, und jetzt ist die Zeit ganz plötzlich abgelaufen. Wir fragen uns natürlich, was da passiert ist. Warum gibt es denn noch keine offizielle Mitteilung von der Polizei?«
»Wir haben’s eine Zeitlang zurückgehalten. Je später das öffentliche Getöse anfängt, desto besser.«
»Wir werden heute sicher noch viel hören, mit unseren Wiener Kolleginnen haben wir erst kurz gesprochen, die sind total geschockt. Aber die können Ihnen bestimmt weiterhelfen. Wenn wir was Interessantes erfahren, melden wir uns auf jeden Fall.«
Es gab noch einen Espresso, begleitet von Smalltalk. Nachdem Bernhardt seine leicht dampfende Jacke von der Heizung genommen und angezogen hatte und wieder in seine ausgelatschten Pseudo-Cowboystiefel gestiegen war, begleitete ihn das Black-and-White-Paar zur Tür und verabschiedete ihn mit ausgesuchter Freundlichkeit. Bernhardt hätte es nicht verwundert, wenn die beiden einen Knicks gemacht hätten.
7
Als Anna die Wohnungstür aufschloss, fiel sie über Florians Winterstiefel, die in einer Pfütze im Vorzimmer lagen. Anna schmiss sie auf die Kokosmatte, wischte das Wasser weg und machte sich erst einmal eine große Tasse Tee. Sie klopfte mehrmals an Florians Zimmertür, und als er nicht antwortete, öffnete sie sie vorsichtig.
Er saß am Schreibtisch, tief über ein Heft gebeugt, auf seinen Ohren die unvermeidlichen Kopfhörer. Die Bässe drangen bis in Annas Ohr. Sie legte ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter.
»Mein Gott! Hast du mich erschreckt! Was machst du denn schon hier?« Er drückte auf die Pausentaste.
»Ich hab früher Schluss gemacht. Nichts los bei uns.« Sie schluckte den Satz mit den Schuhen und der Pfütze im Flur hinunter. »Hast du kurz Zeit? Ich muss mit dir reden.«
»Was gibt’s denn? Ist was passiert?« Florian folgte ihr in die Küche, nahm eine halbe Tafel Schokolade aus dem Schrank und lümmelte sich an den Küchentisch.
»Na ja, kann man so sagen. Der Kolonja hat sich irgendwelche Bänder gerissen.«
»Schlimm für ihn. Und?«
»Und das heißt, dass ich nicht in den Skiurlaub fahren kann.«
»Scheiße. Ich hab mich schon voll gefreut.«
»Tja, vielleicht können wir das ja um ein paar Wochen verschieben.«
»In ein paar Wochen hab ich keine Ferien mehr.«
»Vielleicht kann man eine Sondergenehmigung bekommen.« Annas Vorschlag klang halbherzig, und Florian lächelte sie spöttisch an. »Ich könnte doch ohne dich fahren.«
»Wie, ohne mich?«
»Na ja, mit Marie? Die fährt auch gern
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