Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Titel: Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus-Ulrich Bielefeld , Petra Hartlieb
Vom Netzwerk:
vor?«
    Krebitz setzte seine allerundurchdringlichste Miene auf. »Ich bin kein Bücherleser.«
    »Reicht, wenn du kein Analphabet bist.«
    Verstocktes Schweigen. Bernhardt entschied, sich von diesem schrecklichen Krebitz nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen.
    Er vernahm Leutheusser-Schnarrenbergers leise Stimme, und sie sagte: Deeskalation.
    Aber dann überraschte ihn Krebitz. »Okay, kümmere ich mich drum. Ist doch wichtig.«
    Bernhardt atmete tief ein und aus. »So, dann war’s das jetzt?«
    Aber Cellarius hatte noch was. Und Bernhardt dachte bei sich, dass sein Kollege sicher auch ein ganz guter Dramaturg am Berliner Theater geworden wäre.
    »Ja, zum Schluss vielleicht doch noch ein guter Ansatzpunkt. Im Badezimmerschrank liegt Männerwäsche: Boxershorts, Muscle-Shirts und solche Sachen.«
    »Benutzt?«
    »Leider nein. Und Rasierzeug und Zahnbürste und solche schönen Sachen für Fröhlich gibt’s leider nicht.«
    »Dann müssen wir ja noch einen Durchgang durchs Haus machen, ob irgendjemand einen Mann auf dem Weg zur Lechner gesehen hat.«
    Krebitz hob die Hand wie ein besonders lieber und aufmerksamer Schüler.
    »Hab ich bereits nach gefragt. Niemand hat in dieser Hinsicht etwas wahrgenommen.«
    »Krebitz, Krebitz.«
    Thomas Bernhardt hoffte, dass die zweimalige Namensnennung anerkennend geklungen hatte. Und er täuschte sich nicht: Krebitz bleckte die Zähne und lächelte.
    In diesem Moment schloss jemand die Tür der gegenüberliegenden Wohnung auf. Bernhardt sprang auf und rannte zum Treppenhaus. Der junge Mann, der am Türschloss herumstocherte, drehte sich abrupt um. Er gab ein erbärmliches Bild ab: zerzauste, fettige Haare, geschwollene, entzündete Augen, unter denen sich schwarze Ringe abzeichneten, ein bleiches, teigiges Gesicht, in dem schief eine dunkle Brille saß. Er taumelte und wirkte wie eine Marionette, deren Fäden losgelassen worden waren. Keine Frage, der Junge war am Ende, kurz vor einem Zusammenbruch. Als Bernhardt sich ihm näherte, nahm er den Gestank von Schweiß und Erbrochenem wahr. Als er seine Marke zeigte, hob der Junge die Arme, als hätte er Angst, geschlagen zu werden.
    »Herr Hirschmann?«
    »Jaa.«
    »Bernhardt, Mordkommission. Das sind meine Kollegen Cellarius und Krebitz. Sie wissen, weshalb wir hier sind?«
    »Jaa.«
    Diese dünne, zittrige Stimme. Bernhardt nahm ihn am Arm und ging mit ihm in die Wohnung, in der er auf den ersten Blick nur einen riesigen Schreibtisch voller Bücher und Papiere und eine Matratze auf dem Boden wahrnahm. Bernhardt drückte den jungen Mann auf den einzigen Stuhl in der Küche.
    »Gibt’s hier Kaffee?«
    Hirschmann zeigte abwesend auf ein Schränkchen. Er zitterte wie Espenlaub. Den durfte man nicht zu sehr unter Druck setzen, und Krebitz war hier definitiv am falschen Platz. Er schickte ihn zurück in die Lechner’sche Wohnung.
    Hirschmann schaukelte auf dem Stuhl vor und zurück, während Bernhardt die kleine Espressokanne auf die leise zischende Gasflamme stellte. Als er Hirschmann die Tasse reichte, konnte der sie kaum festhalten.
    »Trinken Sie!«
    »Es ist zu heiß.«
    Wie sollte er aus solch einer jammervollen Figur etwas herausholen, fragte sich Bernhardt. Und spürte einen leichten Widerwillen in sich aufsteigen gegen dieses Häufchen Selbstmitleid.
    »Wir müssen wissen, wo Sie gestern Mittag ab circa vierzehn Uhr waren.«
    »Hier in meiner Wohnung.«
    »Hat Sie die laute Musik aus der Wohnung gegenüber nicht gestört?«
    »Doch schon, ich habe mich ja auf meinen Auftritt im Literaturhaus vorbereitet. Ich habe Gedichte von Wondratschek vertont, die wollte ich da vorstellen. Und der Wondratschek sollte auch kommen.«
    Zögern. Langes Zögern.
    »Und Sie haben sich nicht beschwert?«
    »Nein, nein. Ich dachte…, ich habe mir gesagt, dass Sophie unglücklich ist, dass sie sich durch die Musik beruhigen will.«
    »Ja, aber das muss doch lästig gewesen sein, und dann auch noch so lange. Wieso haben Sie denn angenommen, dass sie unglücklich ist?«
    »Sie war oft unglücklich, so un…, o Gott.«
    Er schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und weinte. Rotz und Wasser, dachte Bernhardt und gab schließlich dem Bedürfnis nach, kurz einen Arm um ihn zu legen. Doch Hirschmann zuckte zurück und schaute ihn feindselig an. Bernhardt bereute seinen Gefühlsausbruch.
    »Und dann hörte die Musik auf, weil die Polizei kam. Was haben Sie da gedacht?«
    »Nichts.«
    Bernhardt reagierte unwirsch. »Was heißt denn nichts? Das

Weitere Kostenlose Bücher