Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
Ski und hat auch Ferien.« Marie war Florians erste ernstzunehmende Freundin. Immerhin waren die beiden schon mehr als ein halbes Jahr zusammen, und das war in dem Alter schon eine echte Leistung.
»Aber ihr seid erst siebzehn. Und Marie ist noch jünger! Ihr könnt doch nicht alleine in Urlaub fahren!«
»Warum denn nicht? Maries Eltern sehen das eh voll locker. Die sind ganz glücklich, dass sie mit mir zusammen ist, dem soliden Polizistensohn.«
»Aber die haben doch bestimmt auch schon was geplant für die Ferien.«
»Nein, die Eltern haben kein Geld. Die gehen eh nicht Ski fahren.«
»Wir haben auch kein Geld. Na, ich weiß auch nicht. Wie wollt ihr denn hinkommen?«
»Schon mal was von Zug gehört?«
»Dann frag sie halt. Wir müssen nur ganz schnell die Lisi anrufen und sagen, dass wir das Zimmer doch wollen. Das Zimmer übernehm ich, aber die Liftkarte zahl ich ihr nicht, deiner Marie.«
»Aber mir?«
»Muss ich ja wohl.«
Plötzlich kam Leben in den ansonsten eher lethargischen Florian. Binnen Minuten hatte er mit Marie telefoniert und die Zugverbindung aus dem Internet gesucht. Und während er seine Reisetasche packte und dabei hektisch hin und her lief, stand Anna ein wenig verloren in der Wohnung und versuchte auszurechnen, wie viel Geld sie ihm mitgeben sollte. Noch einmal flammte die helle Wut in ihr auf, sie ging rasch zurück in die Küche und starrte in den leeren Kühlschrank. Florian sollte nur nicht auf die Idee kommen, sie wäre eifersüchtig.
8
Als Thomas Bernhardt in die Wohnung von Sophie Lechner am Lietzensee kam, saßen Krebitz und Cellarius auf der Couch, vor sich Pizzastücke auf einem Pappteller. Kein Anblick, der den verfrorenen Bernhardt aufheiterte. Aber selbst unter diesen Bedingungen war Cellarius ein aufmerksamer Gastgeber.
»Bitte bediene dich.«
Er wies auf den Teller auf dem Tisch. Bernhardt griff sich ein Stück und mampfte die lauwarme Masse. Dazu ein Glas Wasser ohne Kohlensäure aus einer Flasche, auf der »naturell« stand.
»Klasse. Ich sag euch gleich, mein Gespräch mit den beiden Agentinnen hat wenig gebracht. Nur, dass ich jetzt eine halbwegs reale Vorstellung von der Lechner habe. Und wie lief’s bei euch, habt ihr neue Erkenntnisse, oder tretet ihr auf der Stelle? Würde mich nicht wundern.«
Krebitz schwieg verstockt. Cellarius hingegen schien sich geradezu zu freuen. Schlechte Laune bei Bernhardt am Anfang einer Untersuchung bedeutete, dass er irgendwann zu großer Form auflaufen würde.
»Ich muss zugeben: Wir haben nicht viel rausgekriegt bei den Hausbewohnern. Aber ich habe eine gute Nachricht für dich: Unsere Freunde von der Presse sind hier in Scharen aufgetaucht, sie waren ziemlich empört wegen der späten Übermittlung der Nachricht, und jetzt sind sie schon wieder in ihre Redaktionen gedüst, du hast also nichts mehr mit ihnen zu tun. Auch nicht mit der von dir so geschätzten B.-Z.- Blondine. Nun zur Sache: Krebitz, du hast doch gestern Abend noch die Hausbewohner befragt, die am Nachmittag nicht da waren. Am besten fasst du das zusammen.«
Angewandte Psychologie. Bernhardt zog innerlich den Hut vor Cellarius.
Knurrte Krebitz leise vor sich hin? Immerhin fing er nach ein paar Sekunden des Schweigens an zu sprechen. Bernhardt fragte sich, ob das Schweigevorspiel ein rhetorischer Trick von Krebitz war, und ermahnte sich dann, keine Krebitz-Paranoia zu entwickeln.
»…nicht besonders viel Neues. Der Zeitungsredakteur im zweiten Stock rechts ist wirklich auf Recherchereise in Palästina. Habe ich mir vom Chefredakteur seiner Zeitung bestätigen lassen. Der Musiker vom ersten Stock rechts ist seit einer Woche auf Tournee, ist gestern in Pfullendorf aufgetreten und wurde vom Veranstalter um 12 Uhr am Flughafen Friedrichshafen abgeholt. Das wurde mir bestätigt. So, jetzt das Rechtsanwaltspaar, dritter Stock links, ist spät nach Hause gekommen. Ich hab halt gewartet…«
»Toll, Krebitz, schreib’s auf die Überstundenliste.«
Bernhardt war klar, dass jetzt Lob angebracht war. Schließlich hatte er nicht ohne Erfolg am Seminar »Gegenseitige Wertschätzung, gleiche Augenhöhe – Wie man im Team ergebnisoffen und zielorientiert arbeitet« teilgenommen. Höchst ungern dachte er an die Rollenspiele, die den Teilnehmern damals abverlangt worden waren. Er sollte eine Sachbearbeiterin spielen, die sich von ihrem Chef ungerecht behandelt fühlte. Er hatte sich Katia Sulimma vorgestellt und versucht darzustellen, was Katia wohl in ihrem
Weitere Kostenlose Bücher