Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
ihre Erziehungsideale verraten gesehen hat und die unheilige Schülerin bestraft hat? Du bist witzig. Glaubst du, ich kann da einfach mal reinspazieren in so eine Schule und sagen: ›Guten Tag, mein Kollege aus Berlin möchte gerne alles über Ihre ehemalige Schülerin wissen‹? Außerdem ist Linz viel zu weit weg.«
»Ach, euer Land ist doch so klein, so weit kann das doch nicht sein.«
»Zweihundert Kilometer. Bei den momentanen Straßenverhältnissen also circa vier Stunden.«
»Na gut. Dann eben nicht. Die zweite Spur ist sowieso viel wichtiger: eine Künstleragentur, Die Agentinnen 007. Adresse, warte mal, Plankengasse 5. Da muss es zwei Damen geben, die haben unsere tote Künstlerin betreut. Und wenn diese zwei Ladys nur halb so originell sind wie ihre Kolleginnen in Berlin, wirst du deinen Spaß haben.«
»Das klingt ja sehr verlockend. Aber weißt du, was noch viel verlockender klingt?«
»Na?«
»Ich geh jetzt in meine Buchhandlung. Kauf mir einen schönen Krimi. Koch mir eine Kanne Tee. Verbringe den Tag auf dem Sofa.«
»Langweilig.«
»Langweilig ist super. Also, mein Lieber. Ich wünsch dir und deinen kompetenten Kollegen ein schönes Wochenende mit deiner toten Diva. Und ab Montag soll es ja weniger schneien, da kann man sicher auch wieder fliegen. Dann kommst du, besuchst die 007-Ladys und fährst schnell nach Linz zu den Kreuzschwestern. Und wenn du wiederkommst, geh ich mit dir in die Loos-Bar.«
»Versprochen?«
»Versprochen. Baba.«
Anna unterdrückte das Schmunzeln, als sie sich nach Frau Greier umsah, die sich inzwischen in die Schlagzeilen am Zeitungskiosk vertieft hatte.
»Entschuldigen Sie bitte. War dienstlich. Ich muss leider weg.«
»Oh! Kein Problem. Ein Einsatz?« Frau Greier konnte ihre Neugier nur schlecht verbergen, und fast hatte Anna ein schlechtes Gewissen, dass sie die gute Frau so anschwindelte.
»Ja, ich muss mich beeilen. Muss dringend etwas überprüfen. Hat mich gefreut, dass wir uns kennengelernt haben.« Anna schlang sich den Schal um den Hals und zog die Mütze tief ins Gesicht.
Bettina Greier meinte zum Abschied: »Vielleicht könnt ihr mal zum Essen zu uns kommen? Florian und Sie? Und Ihr Partner natürlich auch gerne.«
»Ja, sicher! Lassen Sie uns telefonieren, wenn die Kinder wieder da sind.« Wenn sie dann noch zusammen sind, dachte Anna, so gemeinsame Urlaube veränderten ja manchmal vieles.
10
Thomas Bernhardt legte missmutig den Telefonhörer auf. War ja blendende Stimmung in Wien. Eine Chefinspektorin, die ihn in echter Wiener-Schmäh-Tradition auflaufen ließ und ihm nicht helfen wollte, die sich lieber aufs Sofa fläzte und einen Krimi las. Wahrscheinlich irgendeinen skandinavischen Mist, schön gruselig, mit abgeschnittenen Gliedmaßen, Leichen in Säurefässern, Qual und Folter.
Er trat ans Balkonfenster. Aus dem grauschwarzen Himmel grieselte Schnee, für einen kurzen Augenblick schob sich eine blasse Sonnenscheibe zwischen den Wolken hervor, brachte die Schneekristalle zum Blitzen und verschwand schnell wieder. Winterdämmerung. Im Radio hatten sie gesagt, dass der Tag kaum heller werde als in Tromsø im nördlichen Skandinavien.
Sonnabend. Sonn abend. Das Wort traf’s doch. Er würde ins Büro gehen, Cellarius würde auch kommen. Obwohl sie wahrscheinlich gar nicht vorwärtskämen im Fall Lechner. Für ein Ergebnis in der Funkzellenabfrage war’s noch zu früh. Das Obduktionsergebnis, wenn es denn vorläge, würde nichts Überraschendes ergeben, mehrere wuchtig geführte Stiche in den Hals, da steckte viel Wut und Entschiedenheit dahinter, affektiver Ausnahmezustand? Das hatte er nicht zu bewerten. Und Sophie Lechners Computer war sicher auch noch nicht ausgewertet. Blieb noch eine intensive Begehung ihrer Wohnung. Und dann könnte man auch den Hirschmann mal unter Druck setzen, da war noch was zu holen, da war sich Bernhardt sicher.
Das Handy in seiner Hosentasche vibrierte. Eine Nummer, die er nicht kannte. Er meldete sich mit seinem Namen. Eine warme, helle Frauenstimme mit einem leicht spöttischen Unterton. »Na, da hoffe ich aber, dass ich Sie nicht geweckt habe, hier ist Sina Kotteder.«
»Wenn Sie mir eine Versicherung andrehen wollen, sind Sie bei mir definitiv an der falschen Stelle.«
»Uh, ganz der Alte, wie wir ihn alle lieben. Sina Kotteder von der B.Z., die B.-Z.- Blondine, wie Sie mich gerne nennen.«
»Aha.«
»Haben Sie einen Moment Zeit für mich?«
»Tja.«
»Ich nehm das mal als ein klares Ja. Cornelia
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