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Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Titel: Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus-Ulrich Bielefeld , Petra Hartlieb
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das Siegel entfernt hatten, zogen sie brav Handschuhe an und streiften sich Plastiküberzieher über die Schuhe. Eine Vielzahl von Markierungstäfelchen war in der Wohnung verteilt. Bernhardt und Cellarius liefen Slalom, blieben stehen, witterten. Aber nichts erleuchtete sie, kein plötzlicher Erkenntnisschub setzte sie auf eine Spur. Der große Blutfleck auf dem Teppich tendierte schon ins Braune. Der Schrecken, der vorgestern noch in der Wohnung vibriert hatte, ließ bereits nach. Alles friedlich, warm, erstaunlich aufgeräumt, wenn man bedachte, dass Sophie Lechner angeblich eine Chaotin gewesen war.
    Bernhardt wählte Fröhlichs Nummer, es meldete sich dessen Stellvertreter Kloß.
    »Gut, dass du anrufst. Wir können heute gar nichts für euch tun. – Warum? Wir haben Material zu dem Sniper bekommen, ja dem Typen, könntest auch Heckenschütze sagen, der nachts durch Marzahn zieht und auf Leute schießt. – Ja, ein Toter, mehrere Verletzte, da müsst ihr ein bisschen zurückstecken und euch gedulden. – Nein, nein, am Montag habt ihr die Ergebnisse.«
    Cellarius, der zugehört hatte, zuckte mit den Schultern und nickte mit dem Kopf in Richtung Wohnungstür, was so viel heißen sollte wie: Hier ist heute nichts mehr zu machen, aber den Hirschmann, den knöpfen wir uns jetzt vor.
    Aber es gab nichts zum Vorknöpfen. Entweder war Hirschmann wirklich nicht da, oder er hielt die Luft an, so still war es in der Wohnung. Bernhardt schüttelte verärgert den Kopf.
    »Mist, da kommen wir jetzt nicht rein. Wenn wir nicht aufpassen, geht der uns noch durch die Lappen.«
    »Meinst du, er war’s?«
    »Er hatte die besten Voraussetzungen. Mal schnell von der einen Wohnung in die andere gehuscht, und fertig ist die Laube. Verdammt, wir hätten ihn gleich unter Beobachtung stellen müssen. Jedenfalls muss bald eine Personenfahndung raus, wenn das Bürschlein nicht in den nächsten Stunden auftaucht. Kümmerst du dich drum?«
    »Kann ich machen.«
    »Hast du was anderes vor?«
    »Na ja, wir haben Karten für die Premiere von Parsifal in der Deutschen Oper um 18   Uhr.«
    »Schaffst du noch.«
    »Nein, ich glaube, ich lass das, mir fehlt dann einfach die Konzentration.«
    »Tut mir wirklich leid. Sag das auch deiner Frau. Ich mach’s irgendwann wieder gut. Ich muss jetzt zu Sina Kotteder ins Einstein, die hat angeblich einiges über die Lechner im Köcher.«
    »Das glaube ich jetzt nicht. Deine blonde Freundin von der B.Z. ?«
    »Freundin, so weit sind wir noch nicht, aber wir sind auf einem guten Weg.«
    Sie umarmten sich und stießen sich gegenseitig mit der Faust leicht vor die Brust. Zusammen würden sie es wieder packen.

11
    Wann immer er ins Einstein kam, hatte Bernhardt das Gefühl, in eine Inszenierung zu treten. Der Titel: Wir spielen Wiener Kaffeehaus. Die Stadtvilla im Renaissancestil vom Ende des 19.   Jahrhunderts, in der das Einstein residierte, stand neben einem brutalen Nazi-Bau aus Albert Speers Zeiten. Diese beiden Gebäude hatten die Kämpfe 1945 überstanden und existierten wie ein ewiger Widerspruch mit- und gegeneinander.
    Bei seiner Eröffnung Ende der siebziger Jahre war das Einstein das klar formulierte Versprechen: Im eingemauerten Westberlin mit seiner nicht enden wollenden Nachkriegsdepression gibt es ab sofort einen Ort der Lebenskunst. In den hohen Räumen, die immer in ein leicht getrübtes Licht getaucht waren und die von Anfang an abgeschabt gewirkt hatten, spielten die Gäste an den kleinen Kaffeehaustischen und in den rotgepolsterten Sitzecken und Nischen Künstler und Bohemiens. Und die Kellner gaben Wiener Kaffeehauskellner und hatten die Mischung von Servilität, Wurstigkeit, unvermittelter Freundlichkeit und abrupt einsetzender Ruppigkeit gut drauf.
    Bernhardt war lange nicht mehr im Einstein gewesen. Es hatte sich wenig geändert, eigentlich gar nichts. Für einen kurzen Augenblick schien ihm, als säßen immer noch die Besucher der ersten Jahre hier. Schwarz gekleidet, Mimik und Gestik von einer gewissen Grundmüdigkeit gezeichnet. Hatte er damals nicht Wim Wenders gesehen, mit Bruno Ganz und Otto Sander und dem uralten Curt Bois, der wie ein Gespenst aus den zwanziger Jahren aussah? Und hatte er ihnen nicht vom Nebentisch aus mit gespitzten Ohren zugehört, wie sie über einen Film sprachen? Später hatte er den Film Himmel über Berlin gesehen, der, so empfand er es damals, den Mythos Berlins einfing, einer erstarrten Stadt, die sich nicht aus dem Banne des Vergangenen lösen

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