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Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Titel: Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus-Ulrich Bielefeld , Petra Hartlieb
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aus ihrer letzten Arbeitswoche. Verfilzte Politik, Korruptionsgeschichten, über die nahezu alle Bescheid wussten und die dennoch nie zur Gänze ans Licht der Öffentlichkeit gelangen würden. Zu sehr waren Politik, Wirtschaft und Medien miteinander verzahnt.
    »Und dieser Hans-Günther Steiner, ich sag’s dir, der ist auch nicht sauber. Der verschiebt Kohle in enormer Höhe – angeblich alles zum Wohle der Kultur.«
    Anna wusste erst gar nicht, von wem Paula sprach, und runzelte die Stirn.
    »Na, du weißt schon! Der Ex von deiner toten Schauspielerin! Wurde der eigentlich schon befragt?«
    »Ach so. Ich habe keine Ahnung. Ist ja nicht mein Fall.«
    »Aber da muss man doch auch in Wien recherchieren, glaubst du nicht?«
    »Ich glaube gar nichts. Der Bernhardt wird sich schon melden, wenn er was braucht. Das heißt, gestern hat er sich eh gemeldet. Hat aber nicht nach dem Steiner gefragt, sondern nach so einer Künstleragentur, die hieß – warte mal – Die Agentinnen 007. Zwei Damen in Berlin, zwei in Wien, irgendwo in der Innenstadt.«
    »Und was ist mit denen?«
    »Die haben die Lechner betreut. Und Bernhardt wollte, dass ich die besuche.«
    »Und? Besuchst du sie?«
    »Nein, warum? Ist ja Wochenende. Und außerdem – ohne offizielles Diensthilfeansuchen geht da gar nichts.«
    »Seit wann nimmst du das denn so genau?«
    »Du, das letzte Mal hat mir gereicht. Da hab ich eine Verwarnung vom Hromada kassiert.« Anna dachte kurz an den vertrackten Fall vom toten Weinbauern, der ein untergetauchter RAF -Terrorist aus Berlin gewesen war. Sie hatte gemeinsam mit Thomas Bernhardt den Fall zwar gelöst, war aber dabei nicht immer die offiziellen Wege gegangen. Das brachte beiden nicht nur Lob von oben ein.
    »Aber so eine Agentur – das wär doch spannend. Die sind sicher auch am Sonntag zu erreichen.« Paula unterbrach Annas Erinnerungen und tippte gedankenverloren auf dem Touchscreen ihres iPads herum: »Da, bitte schön. Die Agentinnen 007. Felicitas Zoltan und Gilda Beyer. Plankengasse 5. Mit Handynummer. Magst anrufen?«
    »Nein, mag ich nicht. Ich mag mit dir in Ruhe frühstücken, und dann mag ich meine Wohnung aufräumen, und dann mag ich auf dem Sofa liegen und lesen. Und morgen schau ma mal, ob da aus Berlin eine offizielle Anfrage kommt. Dann ruf ich vielleicht die Damen an, und dann besuch ich wohl auch den sauberen Herrn Steiner. Aber ohne dass Hromada irgendetwas genehmigt, werde ich keinen Finger rühren.«
    Die Glocken der Apostel-Paulus-Kirche läuteten. Ein paar vereinzelte Menschen eilten auf das Tor der Kirche zu. Bernhardt zögerte, ob er ihnen folgen sollte, wandte sich dann aber ab und machte sich auf den Weg zu einem Backshop. Nachdem er eine Tasse Milchkaffee getrunken und zwei pappige Croissants gegessen hatte, spürte er eine leichte Übelkeit.
    Am Eingang zur U-Bahn-Station Eisenacher Straße stand das Romamädchen, das seinem kleinen Akkordeon quälend falsche Töne entlockte. Das Mädchen, eher schon eine junge Frau, belegte seit Monaten mit erstaunlicher Verlässlichkeit den Platz und trotzte der Hitze des Sommers, dem Herbstregen und jetzt der Winterkälte. Von 8   Uhr morgens bis 3   Uhr mittags war sie anwesend, dann packte sie das Instrument ein und verschwand. Bernhardt fragte sich, wo sie lebte, wem sie das Geld abgeben musste oder ob sie es selbst behalten durfte. Seit Bernhardt ihr einmal eine Zwei-Euro-Münze in ihre Schale gelegt hatte, was dann schnell zur Gewohnheit geworden war, grüßten sie einander und erkundigten sich nach dem Wohlbefinden des anderen. Ihre Antworten waren überschaubar: »Gut«, »müde«, »heiß«, »Regen«, »kalt«. Einmal war sie drei Wochen lang nicht erschienen, und Bernhardt hatte sie vermisst. Dann war sie wieder aufgetaucht, hatte sich ein wackliges Klappstühlchen mitgebracht, nun musste sie nicht mehr stundenlang stehen. Auf Bernhardts Frage, wo sie denn gewesen sei, hatte sie mit kläglich dünner Stimme geantwortet: »Zu Hause.« – »Wo, zu Hause?« – »Rumänien.« Vielleicht eine Art Urlaub, hatte sich Bernhardt gesagt. Als er selbst einmal länger in Urlaub gewesen war, hatte sie ihn beim ersten Zusammentreffen freudestrahlend begrüßt. »Urlaub? Schön?« Und er hatte sich gefreut, die kleine gebeugte Gestalt und das schmale, braune Gesicht zu sehen.
    Jetzt saß sie im leichten Schneetreiben auf ihrem Stühlchen, die Wollmütze und die Schultern des Steppanoraks waren mit einer Schneeschicht bedeckt. »Kalt, sehr kalt.« –

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