Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
»Ja.« – »Aber«, sie deutete nach unten auf ihre Füße, die in schicken Schaffellstiefeln steckten, »gut, warm, Geschenk!« – »Schön.« – »Ja, schön.« Er legte eine Zwei-Euro-Münze in die Blechdose vor ihren Füßen.
Kaum hatte Bernhardt die ersten Treppenstufen auf dem Weg in den Untergrund genommen, verwehten die schiefen Akkordeontöne. Er fuhr bis Sophie-Charlotte-Platz und ging durch den Lietzenseepark in die Kuno-Fischer-Straße. Hirschmann war nicht zu Hause oder öffnete nicht. Wo mochte er sein? War er fähig, mit einem Messer in den Hals der Geliebten zu stechen? Eher nicht, sagte sich Bernhardt.
Er rief Cellarius an. Die Personenfahndung lief, und was war mit der Wohnungsdurchsuchung? Ja, der Durchsuchungsbefehl war beantragt.
Auf dem Lietzensee trank er an einem kleinen Stand einen Glühwein. Ekelhaftes Gesöff, gehörte aber zu einem harten Winter dazu, fand Bernhardt. Dann machte er sich auf in den Tiergarten.
Das Englische Teehaus. Ein langes Gebäude mit ziemlich tiefgezogenem Dach, davor ein Rosengarten, ein kleiner Teich in der Nähe. Langsam dämmerte es ihm. Vor dreißig Jahren war er einmal hier gewesen. Ältestes, echtestes Westberlin. Irgendwo hatte er gelesen, dass die Engländer das Haus Anfang der fünfziger Jahre gebaut hatten, nach der Blockade, als Geschenk an die Berliner Bevölkerung. Verblasste Bilder: die bürgerlichen Berliner, die sich dort sonntags zu Kaffee und Kuchen trafen, eine Streichkapelle fiedelte. Und das gab’s noch? Kaum zu glauben. Bernhardt schüttelte leicht den Kopf, als er durch den tiefen Schnee auf das Gebäude zustapfte.
Aus Richtung der Akademie der Künste kam Sina Kotteder auf ihren Skiern in langen Schritten auf das Gebäude zu. Als sie ihn erreicht hatte, stoppte sie mit einem leichten Schwung. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen blitzten.
»Schön, dass Sie gekommen sind.«
»Hatte nichts Besseres vor.«
»Immer noch der alte Charmeur, unverbesserlich, aber wirklich.« Sie lachte. »Wir gehen rein, muss nur die Skier abschnallen.«
Dem Eingang gegenüber loderte das Feuer in einem Kamin, dampfende Wärme, alles leger, nichts mehr von bürgerlicher Wohlanständigkeit. Sina steuerte ihn resolut an einen etwas abgelegenen Tisch.
»Und, gibt’s was Neues zu Sophie?«
Bernhardt war unbehaglich.
»Nee, so ein Sonntag stoppt einen immer ab. Mag ich nicht.«
»Dafür sitzen Sie mit mir hier.«
»Ja, fünf Richtige mit Zusatzzahl.«
»Mehr nicht?«
»Nee, ich wollte sagen, sechs mit Zusatzzahl.«
»Zu spät.«
Es wurde eine muntere Stunde, sie redeten beide, ohne dass auch nur einmal eine Pause eintrat. Sie erzählte von ihrer Arbeit, die sie gerne machte (»Kannst du, ähm, Sie mir wirklich glauben«), sie riet ihm dringend, die Wiener Kollegin in die Hot -Redaktion zu schicken (auf seinen Einwand: »Die lässt sich nicht schicken«, meinte sie nonchalant: »Von dir schon, also gut, duzen wir uns, oder?«), sie ermahnte ihn, mit ihrer Freundin Cornelia Karsunke ehrlich zu sein, lobte ihn: »Auf deine Art bist du doch ein ehrlicher Typ«, und forderte ihn schließlich auf, ein bisschen von sich zu erzählen, was ihm zu seinem Erstaunen gelang.
Es war längst dunkel, als sie ihre Skier auf den Gepäckträger schnallte. Bevor sie sich ins Auto setzte, drehte sie sich um und küsste ihn auf die Wange.
»Wir sind ab jetzt ein Team, merk dir das. Und ich sage dir: Einer von ihren Männern war’s. Aber welcher?«
Anna Habel hob nach dem fünften Klingelzeichen ab.
»Tag, Frau Habel, ist ja schön, dass du endlich mal rangehst.«
Anna schnaufte unwillig. »Wäre mir neu, dass ich für dich auf Abruf bereitstehen muss.«
»Aber auf eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter reagiert man.«
»Man vielleicht, ich nicht. Vor allem nicht, wenn du solch einen Ton anschlägst.«
»Konntest du ja vorher nicht wissen.«
»Dass du übelgelaunt bist, spüre ich schon Stunden vorher über tausend Kilometer.«
»Oh, nicht schlecht, dann bedeute ich dir viel, man könnte vielleicht sogar sagen –«
»Das will ich jetzt nicht hören.«
Warum fanden sie seit einiger Zeit nicht mehr den richtigen Ton?, fragte sich Bernhardt. Egal, er erzählte ihr von den Hinweisen, die ihm Sina Kotteder gegeben hatte, fragte sie nach ihrer Meinung. Auf einer professionellen Ebene konnten sie dann ganz gut miteinander reden. Anna Habel, die alte Kriminalerin, hatte Blut geleckt. Ab morgen gemeinsame Absprachen, schlug sie vor. Und offizielle
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