Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
auch wenn die Mitarbeiter immer wieder erzählten, dass sie schwer gegen Internetbuchhandel und E-Book-Reader zu kämpfen hatten.
Nachdem Anna ihre Einkäufe verstaut und den Weinvorrat überprüft hatte, ließ sie sich erst einmal eine Badewanne ein. Die Wohnung ganz für sich, ein langes Bad mitten am Nachmittag, ohne dass ein Jugendlicher auf der Suche nach was auch immer durchs Zimmer lief. Danach war Anna so müde, dass sie sich aufs Sofa legte und innerhalb von Minuten einschlief.
Als das Handy klingelte, erwachte sie aus einem seltsamen Traum, in dem sie mit Thomas Bernhardt und Harald an einem Tisch gesessen hatte, auf dem ein riesiger Braten lag. Die beiden Männer stritten darüber, wer das Stück aufschneiden sollte, Anna griff zu einem großen Messer und rammte es in das Fleisch, so dass ein riesiger hellroter Schwall Blut hervorschoss. Sie blickte verschlafen auf das Display: Paula.
»Hi! Bist du schon im Haus Lisi?«
»Nein, nix mit Lisi, ich lieg zu Hause auf dem Sofa. Florian ist allein gefahren.« Müde erzählte Anna von Kolonjas Unfall und ihrem gestrichenen Urlaub, und Paula versuchte sie aufzumuntern.
»In Wien ist es doch auch schön. Jetzt mit dem ganzen Schnee und so. Wir könnten ins Kino gehen am Abend.«
»Nein, ich hab Harald schon zum Essen eingeladen. Apropos – es ist ja urspät! Bin voll eingeschlafen, ich muss sofort zu kochen anfangen.«
Sie verabredeten sich am nächsten Tag zu einem Sonntags-Brunch im Café Schopenhauer, dann setzte Anna die Kartoffeln auf und panierte das Fleisch.
Der Abend mit Harald war wie immer nett. Er begann mit zwei gigantischen Schnitzeln und einer halben Flasche eiskaltem Veltliner aus Haralds Weinfundus und endete schließlich – weit nach Mitternacht – in Annas Schlafzimmer. Sie hatte sich zwar vorgenommen, ihr zeitweiliges Verhältnis mit dem Zahnarzt nicht zu prolongieren, doch vielleicht weil Florian nicht da war oder weil der Schnee vor den Fenstern Anna das Gefühl des Eingeschlossenseins vermittelte – sie brachte es nicht übers Herz, Harald vor die Tür zu setzen.
12
Am nächsten Morgen wachte Anna vom Dröhnen des Schneepflugs auf. Sie nahm eine lange Dusche, kochte Kaffee und setzte sich an den Küchentisch. Die tote Schauspielerin aus Berlin hatte es auf die Titelseiten geschafft. Die Berichterstattung variierte je nach Zeitung: Der Standard konzentrierte sich mehr auf ihr künstlerisches Leben und den großen Verlust für die internationale Theaterwelt, während die Kronen Zeitung Vermutungen über die Todesart anstellte und das bewegte Leben der Lechner in den Vordergrund rückte. Anna vertiefte sich in die Artikel, versuchte zwischen den Zeilen zu lesen, was die Presse wirklich wusste und was sie mutmaßte, und erschrak, als Harald ihr eine Hand auf die Schulter legte. »Na, schon wieder am Arbeiten?«
»O Gott. Hast du mich erschreckt. Nein, wieso? Die Dame ist in Berlin erstochen worden, das geht mich gar nichts an. Hast du gut geschlafen?«
»Ausgezeichnet. Und du?«
»Ganz gut – bis dieser Schneepflug über meinen Kopfpolster gefahren ist. Kaffee?«
»Ja, gerne.«
»Und dann schmeiß ich dich raus, ich bin mit Paula zum Frühstück verabredet.«
»Ich war länger da, als ich zu hoffen gewagt habe.«
»Jetzt keine Beziehungsdiskussion, bitte.« Anna stellte die kleine Espressomaschine ein weniger lauter als nötig auf den Herd.
»Weder Beziehung noch Diskussion. Ich trink jetzt schön meinen Kaffee, und dann geh ich nach Hause. Ich werde nicht einmal deine Dusche verwenden.« Harald setzte sich auf die äußere Stuhlkante, als wäre er auf dem Sprung.
»Jetzt sei doch nicht gleich beleidigt. Ich weiß, ich bin schwierig.« Anna hatte sich vor Harald auf den Boden gehockt und legte den Kopf in seinen Schoß. Er strich ihr gedankenverloren übers Haar.
»Das ist schon okay. Ich bin auch nicht einfach.«
Vielleicht nervt es mich, weil er so gar nicht kämpft, weil er immer auf meine Macken Rücksicht nimmt, weil er so… Anna schob den Gedanken rasch beiseite und erhob sich mit einem leisen Seufzer. Sie war froh, als sie ihn los war.
Einladend leuchteten die Kugellampen des Café Schopenhauer durch die großen Fenster, und als Anna die Türen öffnete, umfing sie leises Stimmengemurmel und der Geruch von frischem Kaffee. Paula saß schon in einer der Fensternischen und hatte einen riesigen Milchkaffee vor sich stehen.
Während sie sich mehrmals vom üppigen Brunch-Buffet bedienten, erzählte Paula Schwänke
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