Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
direkt ins Theater und versuchen herauszufinden, auf wen die Karten ausgestellt wurden. Lassen Sie sich nicht abwimmeln. Herr Motzko, Sie verfassen eine Personenbeschreibung für die Medien.«
»Da muss ich mir die… die… Tote noch mal anschauen?«
»Das wird Ihnen wahrscheinlich nicht erspart bleiben, wenn Sie sie beschreiben sollen. Aber wie sagt ein altes Sprichwort: Wenn man vom Pferd fällt, soll man gleich wieder aufsteigen.«
Mit hochrotem Kopf verließ Motzko das Büro.
Anna studierte noch mal aufmerksam die Kartei der vermissten weiblichen Personen, speicherte die paar ab, die zumindest vom Alter her in Frage kamen. Dann checkte sie ihre Mails, löschte alle Werbungen und überflog eine Mitteilung der Gewerkschaft zum Thema Überstunden bei höheren Beamten. Sie dachte an ihren ausgefallenen Urlaub und versuchte, Florian am Handy zu erreichen. Der nahm natürlich nicht ab.
Das World Wide Web spuckte zigtausend Treffer zu Hans-Günther Steiner aus, und Anna war fasziniert von der Breite der Artikel. Vom billigen Seitenblicke Magazin bis zum seriösen Wirtschaftsblatt – überall war er vertreten, ohne ihn schien in der österreichischen Kulturpolitik gar nichts zu laufen. Sie las gerade einen der wenigen kritischen Artikel vom vergangenen Herbst, in dem es um Steiners Geschäfte in Dubai ging, als Kratochwil mit hochrotem Gesicht ins Büro stürmte. So energiegeladen hatte sie die junge Kärntnerin noch nie gesehen.
»Frau Habel, das glauben Sie jetzt nicht. Also, dieses Theater in der Josefstadt… zuerst wollten die mir nichts sagen, Datenschutz und so, aber ich hab mich – wie Sie gesagt haben – nicht abwimmeln lassen. Hab ihnen was erzählt von Gefahr im Verzug und Behinderungen der Ermittlungsarbeiten, und da haben sie dann doch nachgeschaut. Die Karten wurden im Internet bestellt und ausgestellt auf eine Kreditkarte der Firma Agentinnen 007, Plankengasse 5. Da waren Sie doch gestern, oder?«
»Mein Gott! Gibt es da womöglich eine Verbindung? Das haben Sie gut gemacht, Frau Kratochwil. Jetzt geht’s los.«
Anna suchte verzweifelt in der Handtasche nach der Visitenkarte, die sie gestern bei der Agentin eingesteckt hatte. Kratochwil hatte inzwischen ihre Jacke ausgezogen und kurz etwas in den Computer eingegeben, und bevor Anna die Karte gefunden hatte, rief sie ihr schon die Handynummer von Felicitas Zoltan zu.
Es klingelte lange, bis schließlich die Mailbox ansprang. »Guten Tag. Felicitas Zoltan, Agentinnen 007. Ich kann momentan Ihren Anruf nicht entgegennehmen, bitte hinterlassen Sie eine Nachricht, ich rufe gerne zurück. Please leave a message after the beep. «
»Scheiße, jetzt geht die nicht ran! Das heißt entweder gar nichts, vielleicht hat sie ihr Handy irgendwo liegen lassen, oder sie ist in einem Termin, oder sie ist tot.«
»Was machen wir jetzt?« Kratochwil war wieder aufgesprungen.
»Gibt es auf dieser Homepage auch eine Nummer von dieser Gilda Beyer?«
»Ja, Moment.«
Doch da sprang nicht mal eine Mailbox an. »Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt . «
»So, Sie holen jetzt mal Motzko, und dann fahren wir in die Plankengasse. Irgendwann muss da ja jemand auftauchen, sie können ja nicht beide tot sein. Vielleicht haben sie die Karten ja für jemand anderen besorgt.«
Sie umrundeten das Büro in der Plankengasse gerade zum fünften Mal, als Annas Handy in der Jackentasche läutete. »Anna Habel.«
»Ah, Sie sind das? Entschuldigen Sie, ich habe mein Telefon nicht gefunden. Haben Sie noch eine Frage?«
»Guten Tag, Frau Zoltan. Geht es Ihnen gut?«
»Deswegen rufen Sie mich an – um mich zu fragen, ob es mir gutgeht?« Felicitas Zoltan lachte gutgelaunt ins Telefon.
»Nein, ja, ich meine… Hören Sie, Frau Zoltan, Ihre Kollegin, diese Frau Beyer, wann haben Sie die das letzte Mal gesehen oder gesprochen?«
»Ich sagte Ihnen ja schon gestern, dass sie krank ist. Also gesehen hab ich sie das letzte Mal am Freitag, und dann hat sie mich am Wochenende angerufen, um mir zu sagen, dass sie krank sei. Das war, warten Sie, ja, genau, am Sonntagabend, so gegen halb neun. Ich wollte erst nicht rangehen, weil ich doch immer Tatort schaue.«
»Und ist Ihnen da was Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Nein, was denn? Na ja, sie meinte, sie hätte Angina, aber ihre Stimme klang eigentlich ganz normal. Ich habe mich ein wenig geärgert, weil wir gerade sehr viel Arbeit haben und sie in letzter Zeit öfter mal krank war.«
»Hat Frau Beyer
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