Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
Zeichen.
»Moment, bleiben Sie kurz sitzen, ich komme gleich zurück.« Felicitas Zoltan drehte ihr leeres Glas in den Händen.
Die beiden jungen Kollegen hatten sich inzwischen ein wenig in der Wohnung umgesehen und standen nun unschlüssig vor einer kleinen weißen Kommode im Schlafzimmer.
»Frau Habel, ich will Ihnen etwas zeigen«, setzte Motzko an.
»Jetzt machen Sie schon, was ist denn?«
Motzko wurde knallrot und öffnete mit Schwung die Schublade. Auf roten, schwarzen und weißen Spitzen lagen eine kleine Peitsche, Handschellen und ein paar andere Dinge, von denen Anna nicht genau wusste, was man damit machte. Sie grinste den jungen Kollegen an. »Jetzt sind S’ nicht so schockiert, Sie Unschuld vom Lande. Das bisschen Sexspielzeug ist doch nicht so schlimm.«
Auf dem Nachttisch stand ein Foto von Sophie Lechner, um eine Ecke eine schwarze Schleife gebunden. Anna dachte an das Bild ihres Großvaters, das über dem Esstisch ihrer Oma hing – das war mit einem ebensolchen schwarzen Band, das über die Jahre allerdings schon ziemlich grau geworden war, dekoriert. Doch hier sah der Trauerflor in Kombination mit dem vor Energie sprühenden Gesicht der jungen Schauspielerin grotesk aus.
Felicitas Zoltan war hinter sie getreten und blickte schweigend in die offene Schublade. Dann seufzte sie und schob sie mit Nachdruck zu.
»Was wissen Sie darüber?«
»Nichts. Und ich will auch nichts darüber wissen. Sophie war jedenfalls nicht der Typ für Kuschelsex.«
»Frau Zoltan, was könnte Gilda denn gemeint haben mit dem Satz: ›Ich bereue zutiefst, was ich getan habe‹?«
»Na ja, alles halt. Dass sie sich auf Sophie eingelassen hat, dass sie Anton, also ihren Mann, verlassen hat.«
»Und dass sie aus lauter Eifersucht etwas Unüberlegtes getan haben könnte, haben Sie daran auch schon gedacht?«
Frau Zoltan hielt sich auf die ihr eigene Art die Hand vor den Mund und sah Anna mit schreckgeweiteten Augen an. »Das ist doch nicht Ihr Ernst? Sie wollen doch jetzt nicht andeuten, dass Gilda Sophie umgebracht hat? Das ist doch völlig absurd! Die wurde doch in Berlin… und überhaupt… Was fällt Ihnen eigentlich ein!?«
»Beruhigen Sie sich. Ich denke lediglich über diesen Brief nach. Und die Billigfluggesellschaft fliegt mehrmals am Tag nach Berlin, das wäre also nicht das Problem.« Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Helmut Motzko etwas in sein kleines Notizbuch schrieb. Guter Junge, dachte sie und folgte der mittlerweile völlig aufgelösten Kulturagentin in den Flur.
»Haben Sie die Telefonnummer des verlassenen Ehemannes? Gibt es noch Verwandte, die man verständigen muss?«
»Ja, ihre Mutter lebt noch, die ist allerdings sehr alt, in einem Altersheim in Leoben. Und von Anton weiß ich gar nichts, außer dass er jetzt in Kanada lebt, ich glaube in Ottawa.«
»Das heißt, es gibt keine lebenden Verwandten in unmittelbarer Nähe?«
»Nein. Niemanden.«
»Frau Zoltan, Sie müssen jetzt sehr stark sein. Ich muss Sie leider bitten, die Leiche zu identifizieren. Es tut mir leid, dass ich Ihnen das nicht ersparen kann, es gibt keine andere Möglichkeit.«
Felicitas Zoltan wirkte völlig apathisch. Sie sank auf das geblümte Sofa, knetete ihr Taschentuch und starrte ins Leere. Anna gab Gabi Kratochwil ein Zeichen, und diese setzte sich neben die Agentin.
Anna warf einen Blick ins Badezimmer, öffnete kurz das Spiegelschränkchen und wusch sich die Hände. Sie zog die Tür hinter sich zu und rief leise den Gerichtsmediziner an. »Hey, da ist Anna.«
»Hallo, Anna. War schön gestern Abend. Grüße auch noch mal von Alexandra. Bist du gut nach Hause gekommen?«
»Ja, das war wunderbar. Tolle Luft, und ich hab nicht länger als fünfundzwanzig Minuten gebraucht. Du, hör zu, ich hab eine Bitte. Wir haben ziemlich sicher die Identität unserer Zugtoten. Ich würde jetzt mit jemandem vorbeikommen, zum Identifizieren. Könntest du sie ein wenig herrichten?«
»Herrichten? Wie denn? Soll ich den Kopf annähen?«
»Geh, du bist so grauslich. Nein, könntest du ihn nicht einfach dranlegen und dann den Hals irgendwie abdecken?«
»Klar, mach ich. Ist in zehn Minuten fertig.«
Im Gerichtsmedizinischen Institut hatten sie Angst, Felicitas Zoltan würde zusammenklappen. Sie war totenbleich, ihre Augen lagen tief in den Höhlen, die ganze aparte Erscheinung war wie weggeblasen. Vor ihr lag der vermutlich schlimmste Moment ihres Lebens.
Dr. Schima spielte seine Rolle als väterlicher Arzt hingebungsvoll.
Weitere Kostenlose Bücher