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Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Titel: Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus-Ulrich Bielefeld , Petra Hartlieb
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missbilligend an und zischte etwas Unverständliches. Auf einen Schlag war Bernhardt deprimiert, der widerwärtig bohrende Kopfschmerz meldete sich wieder, der Magen grummelte vor sich hin. Doch Groß ließ sich nicht beruhigen.
    »Das war falsch, nie, nie, hätten wir… nie, wir drei, zu schwach für einen… viel schlauer… brutal, nie hätten wir, Sophie hat es gewusst… wir drei… und er… in Wien.«
    Bernhardt hakte ein. »Von wem sprechen Sie?«
    Es war zu spät: Groß war ohnmächtig geworden. Der Arzt schob Bernhardt aus dem Zimmer, in dem plötzlich lauter Personen in weißen Kitteln herumliefen und sich zu schaffen machten.
    Draußen vor der Tür stand Luther und schaute Bernhardt an. Der sah ihn jedoch nicht einmal, tigerte auf dem Flur auf und ab, bevor er auf einmal sein Handy zückte und Cellarius von der Befragung berichtete.
    »Also Wien – glaubst du ihm?«
    »Was soll ich ihm glauben?«
    »Dass ein Mann in Wien…«
    »…oder war’s eine Frau?«
    Sie spielten ein altes Spiel. Rede und Widerrede. Einer behauptete, einer widersprach oder ergänzte.
    »Ich weiß nicht. Eins ist klar. Er hat Gewissensbisse. Und eine Riesenangst.«
     »Weil er sich gemeinsam mit der Lechner auf ein riskantes Spiel eingelassen hat, das aus dem Ruder gelaufen ist?«
    »So kann man’s sehen. Und Groß hat gesagt: Wir drei. Wer ist der oder die Dritte? Diese Agentin in Wien?«
    »Aber warum? Was könnten die drei getan haben, das jemanden bis zur Weißglut reizt und so wahnwitzig große Risiken eingehen lässt?«
    »Du weißt doch, es gibt nur zwei Motive, die in allen möglichen Variationen und Modifikationen auftauchen.«
    »Geld oder Liebe«, antwortete Cellarius brav, »oder beides auf einmal: Geld und Liebe.«
    »Und in dem Fall –«
    »Beides, würde ich sagen. In Wien liegt jedenfalls…«
    Cellarius lachte und ergänzte den Satz: »…der Schlüssel.«
    Bernhardt blieb noch eine Weile im Krankenhaus, in der vagen Hoffnung auf eine zweite Chance bei Groß in ein, zwei Stunden. Aber es nutzte nichts, der Arzt gab ihm schließlich zu verstehen, dass heute keine Verhöre mehr möglich seien. Bernhardt fühlte sich elend.
    Er beschloss, nicht sofort zurückzufahren, sondern ein bisschen zu laufen, den dumpfen Kopf auslüften.
    Er ging durch eine kleine Parkanlage, kam, wie er auf einem Schild las, am Neubau des Bundesnachrichtendienstes vorbei, passt wie die Faust aufs Auge in diese öde Gegend, entschied er, querte die Scharnhorststraße und sah rechter Hand inmitten einer modernen Wohnanlage einen dieser scheußlichen Mauerwachtürme, die’s doch seit zwei Jahrzehnten schon nicht mehr gab, oder doch? Eine seltsam ruckartige Zeitreise setzte ein. Er sah die Mauer, die Stacheldrahtverhaue, den geharkten Patrouillenweg, auf dem bellende Schäferhunde an langen Eisenleinen hin und her liefen, die kleinen, dreckig olivfarbenen Trabis, die vor der Mauer langsam auf und ab fuhren und ihre bläulichen, stinkenden Auspuffgase in die Luft stießen. Er sah die Grenzsoldaten, die in schmutzigbrauner Kluft und mit geschultertem Gewehr ihre Kontrollgänge machten.
    Bernhardt schüttelte sich und kehrte langsam in die Gegenwart zurück. Tausende, Zehntausende mussten doch diesen Grenzdienst abgeleistet haben. Hätte man gerne mal mit einem geredet. Der Wachturm war erstaunlich gut erhalten und wirkte wie ein Hollywood-Requisit, gleich würde Tom Cruise als Egon Krenz um die Ecke kommen. Nicht mehr wirklich wahr. Kulisse. Es sprach für Berlin, fand er, dass die Mauer innerhalb eines Jahres abgerissen worden war, dass die Türme – über 300 waren es gewesen, hatte er mal in der Zeitung gelesen – geschleift und die Minen und Selbstschussanlagen entsorgt worden waren. Weg mit diesem Dreck, weg mit diesen ganzen Terrorüberbleibseln. Einfach wegräumen, Platz schaffen für freie Räume.
    Und jetzt dieser Wachturm. Früher waren an diesen schrecklichen Bauwerken an allen vier Seiten Schießscharten, auf dem Dach ein Suchscheinwerfer, mit dessen Lichtstrahl man Flüchtlinge in der Nacht erfassen konnte. Er ging weiter, an einem kleinen Kanal entlang. Still war’s hier, ein paar Krähen lärmten in der Luft. Er war der einzige Mensch auf dem Weg.
    Von fern dröhnte der Lärm der Invalidenstraße zu ihm. Da war damals der Grenzübergang von West- nach Ostberlin. Mit dem Auto Schlange fahren zwischen Betonquadern. Auf der Rückfahrt dann die große Inspektion: Das Auto wurde von Grenzsoldaten gefilzt, einer schlich ums Auto,

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