Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
runtergeholt, auf den hat sie immer gehört.«
»Und kennen Sie denn auch Hans-Günther Steiner?«
»Kennen wäre übertrieben. Für den bin ich nur die Vorzimmerdame. Obwohl er oft im Haus ist, er hat nämlich dauernd Termine mit meinem Chef.«
»Um was geht es da?«
»Um Geld natürlich. Um Kultursponsoring, darum, wie man den Theaterbeirat dazu bringen könnte, mehr Förderungen lockerzumachen, all das. – Moment, Entschuldigung!« Die junge Frau holte ihr Mobiltelefon aus der Jeanstasche. »Ja, gut, ich bring sie rauf.«
Der kaufmännische Direktor war ein großgewachsener Herr mit Glatze und einem gewinnenden Lächeln. Als Anna in sein Büro trat, ging sie erst einmal zur Fensterfront, durch die sich ein schöner Blick auf den dunklen Volksgarten und die beiden großen, hell erleuchteten Museen bot.
»Kein schlechter Arbeitsplatz – also zumindest der Blick.« Sie sah sich im Rest des Büros um, das eher wie die Wirkungsstätte einer Versicherungsgesellschaft aussah als wie die Verwaltung eines der wichtigsten Theater Europas. Kirchmeier folgte ihrem Blick amüsiert. »Tja, bei uns hier ist nix mit Plüsch und Samt und Stuck. Hier regiert der schnöde Mammon, also PC s, Aktenordner und all dies profane Zeug. Kommen Sie, wir verschwinden hier mal kurz, dann sind wir ungestört. Kennen Sie das Haus?«
»Na ja, nur den Teil, den alle kennen: Foyer, Feststiege, Zuschauerraum, Pausenbuffet.«
»Wir gehen mal ins Erzherzogzimmer, dort klingelt wenigstens kein Telefon.« Er öffnete ein paar Türen, und die Kulisse änderte sich schlagartig. Dem schmucklosen Bürobau schloss sich – lediglich getrennt durch eine Flügeltür aus Holz – ein in Marmor gehaltener Raum an. Johannes Kirchmeier betätigte den Lichtschalter, und ein Kronleuchter ergoss sein Licht über einen massiven Holztisch, die großen Fenster reflektierten das Licht. Anna setzte sich auf einen der schweren Holzstühle und packte ihr Notizbuch aus.
»Toller Raum. Wofür wird er denn genutzt?«
»Früher haben sich die Durchlauchten hier vor der Vorstellung oder während der Pause frischgemacht, jetzt gibt es hier manchmal Besprechungen oder Essen mit den Sponsoren des Hauses.«
»Und hier wollte Sophie Lechner aus dem Fenster springen?«
»Was Sie alles wissen! Ach, sie wollte sicher nicht springen, die hätte doch ihren schönen Körper nicht freiwillig verunstaltet. Wie genau kann ich Ihnen eigentlich helfen?«
»Herr Direktor, ich bin ganz offen: Ich weiß es eigentlich nicht. Wir ermitteln im Mordfall Sophie Lechner, und inzwischen gibt es einen zweiten Mord.«
»O mein Gott! Wieder ein Schauspieler?«
»Nein, Sophie Lechners Agentin Gilda Beyer wurde tot aufgefunden, Details kann ich Ihnen aus ermittlungstechnischen Gründen nicht erzählen. Kannten Sie die Dame?«
»Nicht gut. Von ein paar kurzen Gesprächen, diversen Premierenfeiern. Mit den Agenten hab ich eigentlich wenig zu tun.«
»Sie wussten, dass Frau Beyer und Frau Lechner ein Paar waren?«
Johannes Kirchmeier zuckte mit einer Augenbraue. »Ich hab mal so etwas gehört, aber wenn wir hier alle Gerüchte ernst nehmen würden, dann hätte der Bundespräsident eine Affäre mit der Vizebürgermeisterin. Also, ich hör bei so etwas prinzipiell weg.«
»Bewundernswert, wenn Sie das können. Und Hans-Günther Steiner?«
»Was ist mit dem?«
»Den kennen Sie doch besser, oder?«
»Sie wissen doch, wie das ist in Österreich. Man kennt sich, man braucht sich, man nützt sich, und dann ist man auch befreundet. Wenn man sich nicht mehr braucht, ist das schlagartig vorbei mit dem Besserkennen.«
»Und Sie brauchen Herrn Steiner?«
»Lassen Sie es mich so formulieren: Man kann sich seine Freunde nicht immer aussuchen. Und egal, was seine wahren Interessen sind, er hat viel getan für die Kultur in diesem Land.«
»Seine wahren Interessen. Was meinen Sie damit?«
»Liebe Frau Habel. Worauf wollen Sie eigentlich heraus? Sind Sie von der Wirtschaft? Vom Finanzamt? Oder doch von der Mordkommission?«
»Also gut, direkt und unverblümt: Können Sie sich vorstellen, dass Hans-Günther Steiner Sophie Lechner umgebracht hat?«
»Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.« Kirchmeier lehnte sich zurück, verschränkte die Hände hinter seiner Glatze und hielt sein Gesicht in den Schein des Kristalllusters, als streckte er es der Sonne entgegen. »Warum sollte er das tun? Sie war eine kleine Episode in seinem Leben, ein schmückendes Beiwerk, dessen er sich entledigt hat, als es
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