Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)
her. Diesen Escort-Service gibt’s nicht mehr. Aber ich sag dir, das muss ein riesiger Markt sein. Was man da alles findet, zum Gruseln. Ein Glück, dass ich immer einen Freund habe.«
Cellarius hatte sich hinter Bernhardt gestellt und blickte ihm über die Schulter. »War Groß damit erpressbar?«
Bernhardt schaute Katia an. »Was meinst du?«
»Ich weiß nicht, eher nicht. Ist doch nichts Schlimmes, in jungen Jahren ein Escort-Junge gewesen zu sein, gibt ihm einen leicht verruchten Touch. Der Laden war doch anscheinend auch ganz respektabel. Was Sophie Lechner in ihren Internetforen getrieben hat, ist schon ein bisschen schärfer. Ich hab euch das mal in zwei Exemplaren ausgedruckt.«
Eine gute halbe Stunde blätterten Bernhardt und Cellarius in ihrer Handakte, verglichen, kommentierten. Letztlich lief es auf die Frage raus: War Sophie Lechner aus diesem virtuellen Raum mit ihren Obsessionen ins wirkliche Leben getreten, hatte sie Members dieser seltsamen SM -Community getroffen, oder war das alles nur Maulhurerei, was sie betrieb? Und hatte irgendjemand sie auf den Fotos in ihren seltsamen Verkleidungen erkannt?
Krebitz war schon am Morgen zum Windrad gefahren. So entschieden sie, dass Cellarius sich um den Escort-Service kümmern und auf den Spuren von Sophie Lechner durch die Internetforen surfen würde. Und Bernhardt würde Sebastian Groß im Bundeswehrkrankenhaus in der Scharnhorststraße richtig auf den Zahn fühlen und ihm hoffentlich den Nerv ziehen. In seiner Tasche steckte eine Kopie des Zettels, der Krebitz entgegengeflattert war, als er Sophie Lechners Bücher durchsucht hatte: Der Geliebte will mich töten.
Vor dem Zimmer von Groß saß der eine Teil des »doppelten Reformators«. So nannten sie in der Keithstraße zwei Kollegen, die oft im Doppelpack eingesetzt wurden und die sich einen Spaß daraus machten, die Leute mit der effektvollen Nennung ihrer Namen zu verblüffen.
»Tag, Luther. Wo ist Martin?«
»Der löst mich heute Abend ab.«
»Gab’s was Besonderes?«
»Alles ruhig. Ein Kollege von Groß war da. Aber ich habe ihn nicht reingelassen.«
»Personalien hast du? Und hast du überprüft, ob der wirklich am Berliner Theater beschäftigt ist?«
»Ja, habe ich. Alles sauber.«
Bernhardt wurde von einem älteren Arzt begrüßt, der ihn auf ruhige Art ermahnte, an das Wohl des Patienten zu denken. Der sei zwar stabil, aber wie man wisse, sei Ruhe das beste Heilmittel.
»Wieso hat eigentlich die Bundeswehr ein Krankenhaus?«, wollte Bernhardt noch wissen, bevor er sich Groß vorknöpfte.
»Die Bundeswehr hat mehrere Krankenhäuser, aber das hier hat eine besondere Geschichte.«
»Ja?«
»Das war das Regierungskrankenhaus der DDR . Nur für einen ganz engen Personenkreis ausgelegt: Politbüro, Zentralkomitee der SED und noch ein paar andere Großkopferte. Mit Westmedikamenten und allen Raffinessen für die geliebten Führer der Arbeiterklasse. Ulbricht, Honecker, Mielke waren alle hier.«
»Haben Sie das erlebt?«
»Nein, ich bin erst nach der Wende gekommen, aber die altgedienten Kollegen haben einiges erzählt. Ist schon ein geschichtsträchtiger Ort. Hier haben sie auch Flüchtlinge, die über die Mauer wollten und angeschossen wurden, verarztet – oder ihren Tod festgestellt.«
Sie traten ins Zimmer. Sebastian Groß lag leicht aufgerichtet in seinem Bett. Die Haut in seinem Gesicht war gespannt, sie schimmerte rötlich, als hätte er viel zu lang in der Sonne gelegen. Der Arzt sah Bernhardts Bestürzung. »Sieht schlimmer aus, als es ist. Wir kriegen ihn hin.«
Sebastian Groß schaute Bernhardt aus großen dunklen Augen an. »Was wollen Sie von mir?«
»Ich stelle einfach ein paar Fragen, es ist ja sicher auch in Ihrem Interesse, dass wir den Entführer fassen. War es eine Person, oder waren es mehrere?«
»Eine.«
»Können Sie die genauer beschreiben? Wie groß? Kleidung? Sprache?«
»Der hat nicht gesprochen, der hat mich vor meiner Haustür von hinten angegriffen, mich in sein Auto geworfen, mir Arme und Beine gefesselt. Und dann sind wir gefahren.«
»Wie lange?«
Das Gesicht von Sebastian Groß verzerrte sich zu einer Schmerzensgrimasse. »Keine Ahnung. Ich war im Schock.«
»Wieso ist es Ihnen gelungen zu telefonieren?«
»Irgendwann hat der mich…«
»Es war ein Mann?«
»…ja, zu Boden in den Schnee geworfen und ist zum Eingang des Windrads gelaufen. Er hat ziemlich lange gebraucht, um die Tür zu öffnen.«
»Haben Sie versucht
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