Nach dem Bankett.
ließ ihre Schenkel entblößt.
»Was wollten Sie von mir?« fragte Yamazaki. »Bitte, sagen Sie es mir rasch, ehe ich auf unrechte Gedanken komme.«
»Nichts Besonderes eigentlich. Ich habe Sie nur gerufen, um Sie zu beruhigen.« Sie stützte mit trägen, vorsichtigen Bewegungen den Oberkörper hoch, wie eine Frau, die versucht, sich in einem schaukelnden Schif aufzurichten. »Sie brauchen sich nämlich keine Sorgen um mich zu machen. Was immer ich auch tue, man wird mich nicht verhaften.«
»Ach, weshalb denn nicht? Davor fürchtet sich der Vorsitzende des Komitees nämlich am meisten«, sagte Yamazaki.
»Ich habe ein wenig gedroht, und nun wird mir bestimmt nichts geschehen.« Ohne Yamazakis Antwort abzuwarten, drehte sie sich. auf die Seite und ließ sich ihren Arm massieren. »Wir sprachen doch neulich über das Diner, das wir fü die Gewerkschaft geben wollen. Das übernehme ich. Aber Sie müssen mir freie Hand lassen, was den Preis anbelangt.«
»Da wäre ich Ihnen sehr dankbar. Aber vergessen Sie bitte nicht, daß sie alle in beschränkten Verhältnissen leben.«
»Dreihundert Yen werden sie wohl bezahlen können.«
»Dreihundert Yen?« fragte Yamazaki, erstaunt über den niedrigen Preis.
»Ja, dreihundert Yen. Wir werden noch sehr auf ihre Hilfe angewiesen sein, und ich würde sie am liebsten gratis bewirten. Aber dadurch würden sie sich sicher zu verpfichtet fühlen. Das Essen und die Getränke werden selbstverständlich von bester Qualität sein.«
Im Laufe des weiteren Gespräches erfuhr Kazu noch eine aufschlußreiche Geschichte, von der Yamazaki annahm, daß Kazu sie längst kannte. Er erzählte daß Noguchi einige Monate vor Kriegsende dem Kaiser eine Bittschrif eingereicht hatte, um Friedensverhandlungen in die Wege zu leiten. Kazu wa hocherfreut über diesen Beweis für Noguchis Weitblick und machte Yamazak Vorwürfe, daß er es bisher verschwiegen hatte.
Sie schlug vor, aus dieser Nachricht in einem Pamphlet politischen Nutzen zu ziehen, aber Yamazaki zögerte, dies ohne Noguchis Wissen zu tun. Andererseits wußte er ganz genau, daß Noguchi niemals seine Einwilligung dazu geben würde. Und Kazus Entschlossenheit, die Dinge voranzutreiben, ohne Noguchi zu informieren, schien in letzter Zeit keine Grenzen zu kennen.
Ohne zu zögern, sagte sie: »Meinen Mann brauchen Sie natürlich nicht zu fragen; denn vorteilhafteres Material werden wir kaum fnden. Außerdem tun wir es ja nur, um ihm zu helfen. Es wäre geradezu sträfich dumm von uns, wenn wir diese kostbaren Fakten nicht ausnutzten.«
Schließlich ließ Yamazaki sich überreden. Und mehr noch – er mußte auch seine Einwilligung zu einem phantastischen Plan geben, den Kazu vermutlich in ihren schlafosen Nächten ausgebrütet hatte. Sie wollte fünfhunderttausend Kalender mit Noguchis Fotografe drucken lassen. Sie sollten originell ausgestattet sein, ungefähr vier Yen pro Stück kosten und an Gewerkschaftsverbände verteilt werden. Durch den Lehrerverband – so hofte Kazu – würden die Kalender in das Elternhaus jedes Schülers gelangen.
Mit großer Ausführlichkeit spann sie ihre Träume vor Yamazaki weiter und vergaß, wie üblich, die Zeit darüber. Allerorts würden die Kalender hängen: an Bretterwänden kleiner Betriebe, neben den Nähmaschinen der Schneiderinnen und sogar in Kinderzimmern. Noguchis Name würde im Familienkreis sogar am Abendbrottisch genannt werden: »Wer ist eigentlich der Mann auf dem Kalender?« »Das ist Noguchi Yuken. Kennst du ihn nicht?« Natürlich mußte er auf der Fotografe ein lächelndes, freundliches Gesicht zeigen. Aber gab es überhaupt Bilder von Noguchi, auf denen er lächelte? Um seine Lippen müßte ein vornehmes, weises Lächeln liegen, während er freundlich auf die vielen kärglich gedeckten Tische blickte und wohlwollend den Essensgeruch erduldete. Überall sollte ein Kalender hängen: neben Vogelkäfgen, unter alten Uhren, neben dem Fernsehapparat, in der Küche, über der Tafel, auf der notiert wurde, was eingekauft werden sollte, neben dem Büfett, wo die Katze schlief – über all diesen Dingen sollte Noguchis Lächeln schweben. Sein Silberhaar und sein würdiges Lächeln sollten in den Herzen der Menschen unmerklich den Eindruck erwecken, er sei der nette, alte Onkel, der ihnen vor Jahren stets Süßigkeiten mitgebracht und übers Haar gestrichen hatte, wenn er zu Besuch kam. Sein Lächeln sollte
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