Nach dem Bankett.
Erinnerungen an alte Zeiten wach werden lassen, in denen die Menschen noch an Gerechtigkeit glaubten. Sein Name sollte – wie der eines alten Schif es, das noch einmal in See sticht – eine Zukunft verbeißen, in der die elenden, rußgeschwärzten Mauern fallen würden.
»Stellen Sie sich zum Beispiel vor«, schwatzte Kazu weiter, »daß eine Hauskatze aufsteht und sich streckt und über Noguchis Gesicht auf dem Kalender streicht. Wenn dann der Hausherr die Katze auf den Arm nimmt und sein Blick auf Noguchis Bild fällt, wird ihm sein Lächeln nie so lieb und mild erscheinen, wie in diesem Augenblick.«
Als Yamazaki aufbrechen wollte, füsterte Kazu ihm noch zu: »Wegen des Geldes brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Ich habe eine Hypothek au Setsugoan aufgenommen. Morgen werde ich fünfundzwanzig Millionen Yen zu Verfügung haben.«
Die Gewerkschaft und die Reformpartei hatten zwar Erfahrungen bei kleineren Wahlen – wenn es etwa um dreihunderttausend Stimmen ging –, aber bei eine Wahl, an der fünf Millionen Wähler beteiligt waren, wußte man weder ein noch aus. Man war nicht einmal in der Lage, einen vernünftigen Operationsplan zu entwerfen. So etwa hatte Yamazaki sich geäußert, und seine Worte erfüllten Kazu mit noch größerem Selbstvertrauen. Denn nun glaubte sie fest daran, daß die Wahl eine Aufgabe war, die der Himmel ihr geschickt habe. Sie hatte sich da auf ein Unternehmen eingelassen, bei dem man sozusagen dauernd ins Leere hinein manövrierte, einen Feind vor sich, der nicht auszumachen war. Sie hatte das Gefühl, daß sie einerseits gar nicht eifrig genug und andererseits gar nich gelassen genug sein konnte; für beides gab es keinen Maßstab. Nur eines blieb ih erspart: die Furcht, des Guten zuviel getan zu haben. In dieser Hinsicht übertra sie sogar Yamazaki, den Meister der Wahlkampfstrategie der Reformpartei. E wurde allmählich zum Bewunderer der einfallsreichen Methoden, die Kazu be allem anwandte.
An einem düsteren Tag, an dem es ununterbrochen geregnet hatte, kam Kazu gegen Abend ins Setsugoan zurück und sah eines der ihr treu ergebenen Mädchen mit unglücklichem Gesicht am hinteren Eingang des Hauses stehen.
»Der gnädige Herr ist da.«
»Wo?«
»Er wartet im Zimmer der gnädigen Frau.«
»Weshalb hast du ihn in mein Zimmer geführt?«
»Der gnädige Herr erschien ganz unerwartet und ging geradenwegs in Ih Zimmer.«
Kazu blieb wie angewurzelt stehen. Es war das erste Mal, daß Noguchi ohne Anmeldung ins Setsugoan kam. Aber am meisten erschreckte sie der Gedanke daß im Nebenzimmer Berge von fertig gedruckten Kalendern und Broschüren lagen.
Ihr Herz begann wie eine Alarmglocke zu schlagen. Sie war unfähig, ihren nassen Regenmantel auszuziehen, und stand wie versteinert in der Eingangshalle Sie merkte, daß ihr Gesicht vor Schreck erstarrt war. Der alte Portier vergaß den Schirm zusammenzuklappen, den er im Freien schützend über Kazu gehalten hatte, und starrte seine Herrin erschrocken an.
Blitzschnell gingen ihr alle möglichen Lügen durch den Kopf. Sie war nie um scherzhafte Ausreden verlegen und selbst in der gefährlichsten Situation stets in der Lage gewesen, behend auszuweichen – wie eine Schwalbe, die sicher zwischen den niedrigen Vordächern einer engen Straße hindurchfiegt. In diesem Falle fühlte sie jedoch instinktiv, daß Schweigen die beste Ausrede sein würde. Es gab keinen Zweifel darüber, daß sie nur aus gutem Willen gehandelt hatte, und im Grund gab es nichts, dessen sie sich hätte schämen müssen. Trotzdem fürchtete sie nichts auf dieser Welt so sehr wie Noguchi.
Während sich Kazu langsam ihres nassen Mantels entledigte, blickte sie auf den schmalen Weg zwischen Tor und Hintereingang zurück, auf den unablässig der Regen niederprasselte. Die zinnoberroten Blüten des Granatapfelbaums waren fast alle abgefallen. Der Frühling war ungewöhnlich warm gewesen, und der Baum hatte früher geblüht als sonst. Der Anblick der leuchtenden Blüten draußen im Regen beruhigte Kazu ein wenig.
Ehrfürchtig kniete sie vor der Schwelle ihres Zimmers nieder und begrüßte ihn förmlich.
Noguchi, der ein japanisches Gewand trug, stand wortlos auf und trat ihr gegen die Knie, als ob er sie hinausstoßen wollte. Dann fuhr er sie an: »Wir gehen sofort nach Hause! Komm mit!« Er trat auf den Gang hinaus, und Kazu bemerkte, daß er in der rechten Hand eine Broschüre und einen
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