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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yukio Mishima
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zusammengefalteten Kalender hielt. Als er über die bogenförmige Brücke des Korridors vorausging, erinnerte sie sich an den Abend ihrer ersten Begegnung, und eine seltsame Mischung von Bitterkeit und Wehmut schlich sich in ihr Herz. Alles, was sie aus eigenem Antrieb getan hatte, erschien ihr jetzt wie eine Verkettung unglücklicher Umstände. Weinend ging sie hinter ihm her.
      Die Mädchen waren längst an Kazus Tränen gewöhnt und machten nicht einmal erstaunte Gesichter, als die beiden hinausgingen. Noguchi preßte die Lippen zusammen. Kazu weinte im Wagen auf dem ganzen Heimweg, aber Noguchi sprach kein einziges Wort.
    Zu Hause führte er sie, immer noch schweigend, in seine Bibliothek und verschloß von innen die Tür. Er machte nicht den Eindruck, als sei er zornig. Er stand vielmehr kühl und unnahbar vor ihr – wie eine schrofe Felswand, die man nicht erklimmen konnte. »Weißt du, weshalb ich zum Setsugoan gekommen bin?«
      Kazu schüttelte weinend den Kopf. In ihrer Haltung war eine Spur von Koketterie, die sie selber mißbilligte. Im nächsten Augenblick schlug Noguchi ihr ins Gesicht. Sie fel auf den Teppich und schluchzte laut auf.
    »Hast du jetzt verstanden?« sagte er schweratmend. »Heute kam ein Anruf von der Druckerei. Ich ging an den Apparat und wurde gebeten, die Rechnung für die Kalender zu begleichen, da sie noch nicht bezahlt sei. Man sagte mir, meine Frau habe sie bestellt, und nach einigen Fragen fand ich heraus, was du dir geleiste hast. Daraufhin fuhr ich zum Setsugoan. Und was fand ich vor? Keineswegs nur Kalender! Was ist das hier? Was soll das bedeuten? Eine Unverschämthei sondergleichen!«
       Noguchi schlug ihr die Broschüre mehrmals um die Ohren. Sie hatte sich oft genug mit ihrem Mann gestritten, aber so hatte er sie noch nie behandelt Irgendwie brachte Kazu es fertig, zwischen zwei Schlägen einen Blick auf sein Gesicht zu werfen. Sein Atem ging heftig und schwer, aber sein Gesicht wa keineswegs zornverzerrt. Seine eiskalte Wut ließ Kazu erzittern.
       »Du hast das Ansehen deines Mannes mit Schmutz besudelt. Was hätte ich auch anderes von dir erwarten können! Du hast es verstanden, meine Karriere in den Dreck zu ziehen. Du solltest dich schämen! ja, schämen! Es macht dir woh Spaß, mich vor den Leuten lächerlich zu machen?«
       Er trat mit den Füßen nach der am Boden liegenden Kazu, ohne sich darum zu kümmern, wohin er traf. Schreiend rollte sie sich hin und her, aber er war so kraftlos, daß seine Fußtritte Kazus üppigem, weichem Körper keinen Schmerz zufügten. Endlich setzte er sich auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch und betrachtete ungerührt die schluchzende Gestalt am Boden.
       Noguchis Wutausbruch – sowohl was seine Worte als auch was sein Gebaren betraf – war ausgesprochen antiquiert gewesen. Er machte den Eindruck, als verkörpere er die alte Moral. Aber sein Zorn hatte Stil gehabt; und im Stillen liebte Kazu es, wenn altmodische Männer zornig wurden. Sie war halb ohnmächtig vo Schmerz und Glück, aber allmählich kam sie zu dem Schluß, daß Noguchi zu den Männern gehörte, die in ihre gewohnte Blindheit und Taubheit zurückfelen sobald sie ihre Wut losgeworden waren und verboten hatten, was verboten werden mußte. Dieser Gedanke stimmte sie nachsichtig gegen Noguchi und mehr noch gegen sich selber.
       Trotzdem heulte sie weiter wie ein wildes Tier, bat um Verzeihung und stieß alle möglichen Entschuldigungen hervor. Manchmal schwieg sie, als sei sie ohnmächtig geworden, fehte dann aber von neuem mit noch lauterer Stimme um Vergebung. Noguchi hatte ofenbar nicht die Absicht, diese Folter zu beenden. E erklärte, daß er sie nicht eher aus dem Zimmer herauslassen werde, bis sie alles gestanden hätte; denn es sei ofensichtlich, daß sie bereits beträchtliche Summen ausgegeben habe. »Meine Ersparnisse . . . ich hab sie für dich ausgegeben . . . nu für dich!« stammelte sie wie im Delirium.
       Noguchi ging gar nicht auf die Beteuerungen ein. Seine schrofe Haltung zeigte daß er kein Wort der Rechtfertigung hören wollte. Er nahm ein europäisches Buch zur Hand, wandte sich von ihr ab und begann zu lesen.
       Es entstand ein langes Schweigen. Der Raum lag im Dunkel, nur die Lampe warf einen hellen Lichtkreis auf den Schreibtisch. Man hörte außer dem Rauschen des Regens und dem Umblättern der Seiten nur Kazus unruhigen Atem. Die füllige Gestalt der nicht mehr jungen Frau, die mit verrutschtem Kimono auf

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