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Nach dem Ende

Nach dem Ende

Titel: Nach dem Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alden Bell
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verschrumpelt.
    Merkwürdige Vorstellung, dass er früher Teil von allem war, was sie im Leben getan hat, und jetzt von ihr losgelöst ist. Sie will ihn zurück in die Tasche schieben, überlegt es sich aber anders und verstaut ihn im Handschuhfach.
    Trabantenstädte. Diese herrlichen knochenweißen Häuser, Reihe um Reihe vervielfältigt auf Rastern, die wie aus Kristall gewachsen scheinen, streng und exakt nach Gottes kunstfertigem Plan, mit leicht geneigten Gehsteigen, rechteckigen, verwilderten Rasenflächen und breit grinsenden Garagentoren. Es gefällt ihr, dass diese Häuser wie ineinandergreifende Blocks zusammengefügt sind. Wenn sie das Wort Gemeinwesen hört, fällt ihr dieses Bild ein: Familien, die sich in regelmäßig angeordneten Würfeln eingerichtet haben und durch die übereinstimmende Wandfarbe miteinander verbunden sind. Wäre sie in einer anderen Zeit geboren worden, würde sie gern an so einem Ort wohnen, wo alles für alle gleich ist, sogar die Briefkästen.
    Zwischen diesen hübschen Eigenheimen, auf einer vierspurigen Straße mit einer grasbewachsenen Insel in der Mitte, auf der in gleichmäßigen Abständen Banyanbäume stehen, stößt sie auf eine Gruppe von Fleischsäcken, zwanzig vielleicht, die alle unbeholfen in die gleiche Richtung wanken. Sie fährt vor zur Spitze der Schlange, wo ein großer Kerl marschiert und versucht, die Versammlung hinter sich zu lassen. In seinen Armen ruht eine alte Frau, die nicht größer ist als ein Kind.
    Sie bremst neben ihm und kurbelt das Fenster nach unten.
    Hey, Mister. Du ziehst einen ganz schönen Auflauf hinter dir her. Und wenn dir die Lust aufs Marschieren vergeht, sitzt du ordentlich in der Patsche.
    Der Mann schaut sie mit flachen, grauen Augen an, denen jede Einsicht fehlt, und stapft weiter.
    Hör mal, drängt sie, du hast da wirklich eine düstere Parade hinter dir. Vielleichst kommst du besser rum zur Beifahrerseite und steigst mit deiner Grandma ein. Dann kriegst du wenigstens einen Vorsprung, wenn du schon so auf Verfolgungsrennen stehst.
    Wieder blickt der Mann sie an. Er ist riesig, mit ungewaschenem, heufarbenem Haar, das ihm in Strähnen herunterhängt, und einem Mondgesicht mit dicken Lidern über schwerfälligen Augen, die zu klein erscheinen für die Breite seiner flachen Wangenknochen. An der Stirn hat er etwas, das nach Ruß aussieht, und er schnauft mit vorgestreckter Unterlippe durch den Mund. Allmählich fängt er an, über seine eigenen Füße zu stolpern, und sie hat den Eindruck, dass er schon sehr lange so dahinläuft. Die Alte in seinen Armen ist tot, aber offenbar noch nicht lange.
    Du bist ein Dussel, oder? Irgendwie ein bisschen langsam im Kopf? Na gut, Dussel, wir machen es, wie du meinst.
    Ein Stück weiter vorn hält sie an, zieht das AR-15-Gewehr mit Zielfernrohr aus der Tasche und klatscht ein Magazin hinein. Dann steigt sie aus.
    Der Mann latscht an ihr vorbei. Sie lässt sich auf ein Knie nieder und stützt sich am Auto ab. Dann eröffnet sie das Feuer. Es kracht nicht wie bei den älteren Gewehren, die sie benutzt hat. Das hier ist eine Militärwaffe, die bei jedem Schuss nur ein gedämpftes Plopp von sich gibt wie eine Motorkurbel.
    Die zwei Vorderen trifft sie mit der ersten Kugel in den Kopf, das kann sie am Spritzen von Blut und Knochen erkennen und an der Art, wie sie zusammensacken, reglos und tot, noch ehe sie den Boden berühren.
    Die dritte, eine Frau im Nachthemd, erwischt es an der Schulter, sie wird herumgeschleudert, und erst der übernächste Schuss bohrt sich in ihren Hinterkopf.
    Das folgende Projektil durchschlägt den Hals einer beleibten Schabe, die die Hände wie ein Vogel hochreißt, um den Blutfluss zu stoppen. Dann trifft sie sie voll in die Stirn.
    Sie feuert, bis das Maganzin leer ist. Dann holt sie das Gurkhamesser aus dem Wagen, um auch noch die anderen zu erledigen und dafür zu sorgen, dass sie nicht mehr aufstehen. Schließlich erhebt sie sich aus dem Schlamm und fächelt sich mit dem Panamahut Luft zu. Sie spürt die Brise im Gesicht und atmet die frische Luft ein, die zwischen den Palmen längs der Straße heranweht.
    Der Mann hat die Alte vorsichtig neben dem Auto auf den Gehsteig gelegt. Er kauert sich neben sie und gafft Temple mit einem Ausdruck kläglicher Unentschlossenheit an.
    Eigentlich hätt ich dich draufgehen lassen sollen, Dussel. Was denkst du dir eigentlich dabei, wenn du so eine Kolonne von Schaben hinter dir herziehst? Du bist nich dafür gemacht, in dieser Welt

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