Nach dem Ende
zu überleben. Wahrscheinlich hab ich grade gegen Gottes Plan für dich verstoßen, blöd, wie ich bin.
Sein Blick wandert von ihr zu dem Gemetzel hinter ihr.
Kannst du sprechen?, fragt sie. Oder bist du so ein Dussel, der gar nix sagt?
Er streckt die Hand nach der toten alten Frau aus und streicht ihr mit den Knöcheln das Haar aus dem Gesicht. Ein leises Wimmern dringt aus seinem Mund, undeutlich wie von einem greinenden Baby.
Wie lang is deine Granny schon tot? Nich so lang, schätz ich. Aber lass sie lieber los, bevor sie anfängt rumzukriechen. Denn dann wird sie bestimmt nich daran denken, dir Suppe einzulöffeln.
Sie öffnet die Autotür und steigt ein. Es ist ein strahlender Tag, vor ihr erstreckt sich weit die Straße, sie spürt die kühle Brise angenehm im Gesicht, und sogar ihrer Hand geht es besser. Aber sie weiß, dass sie dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf bringen wird – das Bild eines Mannes, der neben seiner toten Großmutter kniet und ihr das Haar zurechtmacht. Schließlich klettert sie wieder aus dem Wagen.
Verdammich. Komm, Dussel, wir begraben deine Granny.
In einer nahe gelegenen Garage findet sie eine Schaufel. Nachdem sie dem Mann zwei kleine Zaunlatten und eine Rolle Schnur auf die Arme geladen hat, führt sie ihn in einen kleinen Garten mit lockerem Boden. Dann reicht sie ihm die Schaufel.
Los, Dussel, fang an zu buddeln. Is ja nicht meine Grandma.
Sie deutet, und der Kerl gräbt. Er ist volle zwei Köpfe größer als sie, und seine Schultern hängen nach unten, als würde es ihm schwerfallen, das Gewicht seines klobigen Körpers zu tragen. Sie muss ihm vorführen, wie man die Schaufel hält, doch als er das Werkzeug dann in die Erde rammt, fährt es tief hinein. Inzwischen legt Temple die zwei Zaunlatten kreuzweise übereinander und bindet sie mit der Schnur fest zusammen.
Jetzt musst du sie reinlegen, fordert sie ihn auf, als das Loch groß genug ist. Sie zeigt auf die knochige Leiche der Alten und dann auf die Grube.
Er hebt sie hoch und setzt sie sanft auf die nackte, lehmige Erde. Dann schaut er Temple an, in Erwartung weiterer Anweisungen.
Okay, ähm, jetzt musst du Blumen besorgen. Einen ganzen Strauß.
Sie pflückt eine kleine Wildblume zu ihren Füßen.
So was, nur größer. Hinten am Haus wachsen welche. Da lang, mach schon.
Er stapft los, und sie steigt mit der Pistole, die sie aus dem Auto mitgebracht hat, hinunter ins Grab. Sie untersucht die Frau genau, berührt sie an Fingern und Handgelenken. Dann zieht sie die Lider hoch und sieht sich die Augen an. Sie sind nach hinten gerollt, aber sie haben bereits angefangen, sich ganz schwach zu drehen.
Temple versucht, den Mund aufzustemmen, aber die Zähne sind fest zusammengebissen. Also hält sie der Alten den Finger unter die Nase.
Riech mal, Granny. Komm schon, sperr den Mund auf.
Der Kopf der Alten ruckt ein wenig nach oben, und ihr Kiefer öffnet sich, um die Zähne in Temples Finger zu schlagen. Temple schiebt ihr den Lauf der Pistole in den Mund, zielt nach oben und schießt. Dann scharrt sie schnell ein wenig Erde ins Grab und verteilt sie unter dem Kopf der Frau, um die Schweinerei zu verbergen. Schließlich klettert sie aus dem Loch.
Als der Mann mit ängstlichem Gesichtsausdruck um die Hausecke stakst, zeigt sie ihm die Pistole und deutet auf einen Baum.
Keine Sorge, hab nur auf ein Eichhörnchen geballert. Hab es nicht erwischt. Hast du die Blumen?
Er hat eine Handvoll dabei, blass, die Stiele zerbrochen, mit herunterhängenden Wurzeln und Erdklumpen daran.
Das passt. Jetzt komm her, und mach das Loch zu.
Er folgt ihrer Aufforderung mit langsamen Bewegungen, die sie an tektonische Verschiebungen der Erde erinnern, frostig und dröhnend, voll steinerner Kraft.
Sie nimmt das Lattenkreuz und hämmert es in den Boden am Kopf des Grabes.
Damit Gott weiß, wo er nachschauen muss, wenn er kommt, um sie zu holen, erklärt sie. Und jetzt noch die Blumen. Ja, dahin.
Er legt die Blumen auf die aufgeschüttete Erde und starrt sie an.
Na schön, Dussel. Jetzt wo du deine Granny nich mehr mit dir rumschleppst, hast du wohl bessere Chancen, dass dich die Schaben nich kriegen. Wozu einer wie du gemacht is, weiß wahrscheinlich bloß Gott, aber du wirst schon deinen Platz unter den Heiligen und Sündern finden.
Auf halbem Weg zum Wagen merkt sie, dass er ihr nachläuft, und dass der Blick seiner trüben, vernebelten Augen dem Schatten folgt, den sie auf die Straße wirft.
Was machst du denn da, Dussel? Du
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