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Nach dem Ende

Nach dem Ende

Titel: Nach dem Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alden Bell
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lauschen den Schritten auf der Treppe.
    Das ist nicht nett, einen Gast mit der Waffe zu bedrohen, meint Moses Todd.
    Sie sind mein Gast, antwortet James, nicht ihrer. Und sie ist die mit der Waffe.
    Da ist was dran. Moses nickt bedächtig.
    Da rüber. Temple deutet auf einen dunklen Holzstuhl mit einem Sitzpolster aus gemusterter Seide. Schön langsam.
    Moses Todd lässt sich auf dem Stuhl nieder, und James bindet ihm mit einer Schnur, die er aus dem Keller geholt hat, Arme und Beine daran fest.
    Woher wissen Sie, dass Sie hier auf der richtigen Seite stehen?, fragt Moses Todd James, als dieser das Seil verknotet.
    Sie ist seit acht Tagen im Haus und hat noch niemanden getötet, erwidert James. Und Sie sehen aus wie jemand, der Ärger machen will.
    Na gut. Aber hat sie Ihnen erzählt, dass sie meinen Bruder umgebracht hat? Und zwar mit bloßen Händen wie ein Tier. Hat sie das zufällig beim Abendschmaus erwähnt?
    James wirft ihr einen kurzen Blick zu, wartet aber nicht ab, ob sie es zugibt oder abstreitet.
    Ich nehme an, ihr zwei wollt euch ein wenig unterhalten. Ich bin nebenan. Du rufst, wenn du was brauchst?
    Temple nickt. James verlässt das Zimmer.
    Wie geht’s immer so, Kleine?
    Mir geht’s prächtig.
    Er saugt die Lippen ein, und sein ganzer Bart verändert die Form wie ein Seeigel. Seine weiße Zunge befeuchtet die Mundwinkel, als würde er zu einer langen Rede ansetzen.
    Schöne Unterkunft, die du dir da ausgesucht hast. Sein Blick wandert durch den Salon.
    Ja, das sind nette Leute. Bisschen schrullig, ein paar von ihnen. Aber sie halten das Haus zusammen.
    Wie ist das Essen?
    Schon lang nich mehr so gut getafelt.
    Sie setzt sich auf das Sofa in der Nähe des Stuhls und stützt die Ellbogen auf die Knie. Die Pistole legt sie auf den Couchtisch. Sie wäre in seiner Reichweite, wenn er nicht gefesselt wäre.
    Pass lieber auf, Kleine. Bist du dir so sicher, dass ich nicht die Schnur zerreißen und mir das Ding schnappen kann?
    Wenn du es kannst, bist du herzlich eingeladen. Dann ist die Sache wenigstens erledigt, ob so oder so.
    Lange fixiert er sie mit forschendem Blick, der aber nicht wie bei seinem Bruder unter die Kleider will. Moses Todds Blick bohrt sich in ihren Kopf, um ihn bis zum letzten Winkel zu erkunden.
    Schließlich platzt ein herzhaftes Lachen aus ihm heraus, und sie fährt zusammen. Sie bemerkt kleine Essenskrümel in seinem Bart.
    Du hast wirklich Qualitäten, Herzchen. Du hast wirklich Qualitäten.
    Wie hast du mich überhaupt gefunden?
    Ich bin ein Fährtenleser. Bin bei Jägern in Arkansas aufgewachsen. Schmutzige Kerle, du würdest sie nicht mögen. Aber sie haben mir Spurenlesen und Jagen beigebracht. Und so viele flachsblonde Mädchen treiben sich nicht mehr rum da draußen. Ist nicht schwer, dich aufzuspüren.
    Misstrauisch mustert sie ihn von oben bis unten. Kann mir nich vorstellen, dass du so ein guter Fährtenleser bist.
    Ich bin hier, oder nicht? Hey, bist du auf die Horde zwei Meilen hinter uns getroffen? Hab fast nichts mehr gesehen beim Durchfahren – wie Mücken. Ohne einen schnellen Ausweg möchte man lieber nicht in so was stecken bleiben.
    Ja, hab sie gesehen. Die haben gelernt, andere Sachen zu fressen. Pferde, Waschbären. Ein paar sind sogar zu Kannibalen geworden.
    Was du nicht sagst. Er schüttelt den Kopf. Also das ist doch eine echte Perversion der Natur, oder?
    Jedenfalls keine gute Aussicht, wenn man sie aushungern will.
    Also schätze ich, wenn du hier abhaust, wirst du nicht durch die Stadt fahren.
    Sie fasst ihn ins Auge. Hör zu. Ich weiß, warum du hinter mir her bist. Ich weiß, was du vorhast.
    Das dachte ich mir schon, nachdem ich mit vorgehaltener Waffe an einen Stuhl gefesselt worden bin.
    Dein Bruder, ich hab mich um ihn gekümmert – damit er nich zurückkommt, mein ich. Das wünsch ich nämlich keinem. Ich hab mich drum gekümmert.
    Das weiß ich, und ich bin dir sehr verbunden. Aber es kann nicht ganz wiedergutmachen, dass du ihn umgebracht hast.
    Ich muss dir sagen … er war kein guter Mensch, dein Bruder. Er hat rumgemacht. Er wollte sich unerlaubte Freiheiten bei mir rausnehmen.
    Moses Todd senkt den Kopf und blickt traurig in seinen Schoß. Dann hebt er den Blick und redet mit leiser Stimme.
    Offen gestanden hab ich mir das schon irgendwie zusammengereimt. Das hätte er nicht tun dürfen. Und du hast mein ganzes Mitgefühl in dieser Sache. Abraham war nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ich.
    Er holt tief Luft und sieht ihr wieder

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