Nach dem Ende
auf die andere Seite verirrt.
Oder die Strände von Kalifornien, die sie aus jahrzehntealten zerfledderten Zeitschriften kennt. Sonnenuntergänge hinter Palmen, weite, weiße Sandflächen, zum Horizont hinausragende Piere und heftig gegen die muschelverkrusteten Stützpfeiler krachende Wellen. Sie hat gehört, dass es in Kalifornien Orte gibt, wo man leben kann – große, sicher abgezäunte Areale. Orte, wo in kleinem Maßstab wieder Handel getrieben wird und Regierungen eingesetzt worden sind. Oasen der Zivilisation. Sie malt sich eine völlig neue Welt aus. Ja, so was würde sie sich gern anschauen.
Oder schneebedeckte Berge, wo sie eine Burg aus Eis errichten könnte. Einmal hat sie schon Schnee erlebt, in den Bergen von North Carolina. Man konnte stundenlang auf einer verschneiten Straße fahren, ohne einer Schabe zu begegnen – sie haben eine natürliche Abneigung gegen Kälte. Sie sterben zwar nicht, aber sie werden ganz langsam, bis sie festfrieren. Sie erinnert sich an ein kleines, um eine verlassene Skistation errichtetes Dorf. Eine Gruppe gefrorerer Fleischsäcke wie Statuen auf den Straßen. Sie streifte zwischen ihnen herum und fragte sich, was Gott wohl mit so einem Tableau zu tun hatte, denn er musste doch davon wissen.
Selbst Richard Grierson weiß, dass die Welt unendlich groß ist. Und sie findet, dass sie ihr nicht weniger gehört als allen anderen. Nur dass manche Dinge bei dir bleiben, wohin du auch gehst.
Eines Abends kommt James nach dem Essen hoch zu ihr auf den Gipfel. Keine Wolke trübt den Himmel, und die Lichter der Stadt sind wie blendende Spiegelungen der Sterne.
Was weißt du über einen Mann namens Moses Todd?
In ihr zieht sich alles zusammen. Woher kennst du diesen Namen?
Er hat ihn Johns unten am Tor genannt. Im Moment sitzt er im Salon. Richard spielt ein Konzert für ihn.
7
S ie hatten ihn bereits eingelassen, als James davon erfuhr. James trat ein, und da saß er schon im Salon, nippte Tee und hörte Richard beim Klavierspielen zu. Einen Arm auf der Rückenlehne des Sofas, die Beine breit übereinandergeschlagen. Als er James bemerkte, lächelte er.
Guten Abend. Der Mann erhob sich von seinem Platz und streckte die Hand aus.
Ein bulliger Kerl, dessen keulenförmige Faust sich hart wie ein Ziegel um James’ Hand schloss.
James, sagte seine Großmutter. Darf ich dich mit Mr. Moses Todd bekanntmachen? Er reist durch die Gegend.
Sehr erfreut, erklärte James.
Auch ein Enkel von Ihnen, nehme ich an?
Meine Jungen. Sie nickte. Ihr Vater ist krank, er kann uns leider nicht Gesellschaft leisten. Aber wir haben noch einen Gast, ich werde sie Ihnen vorstellen, sobald sie zurückkommt. Sarah Mary geht am Abend gern spazieren.
James bemerkte, wie in den Augen des Mannes etwas einrastete.
Es wird mir eine Ehre sein, sie zu begrüßen.
Wir waren wirklich gesegnet in den letzten Tagen, sagte seine Großmutter. Nicht wahr, Richard, James – das waren wir?
In der Tat, bestätigte Richard. Und unsere Gäste hatten Glück, draußen ist es nämlich nicht sicher.
Sie folgt James Grierson den Pfad hinab und holt eine Pistole aus ihrer Reisetasche im Auto. Dann betreten sie das Haus möglichst lautlos durch die Küche.
Im Saal hört sie von drinnen Richards Klavierspiel, das sie an ein Wiegenlied erinnert. Zwischen den Noten nimmt sie das Ticken der Großvateruhr neben der Tür wahr. Sie wartet, bis das Stück vorbei ist und geklatscht wird – was bedeutet, dass Moses Todds Hände beschäftigt sind –, dann stößt sie die Tür auf und steuert mit angelegter Waffe auf ihn zu.
Er ist so riesig, wie sie ihn in Erinnerung hat, breit wie ein Baum und genauso zerfurcht. Sein dunkler Bart ist ungestutzt, das fettige Haar aus der Stirn gestrichen.
Ungerührt bleibt er sitzen, und auf seinen Lippen erscheint ein Lächeln.
Um Himmels willen! Mrs. Grierson schlägt die Hand vor den Mund.
Auch Richard fährt auf. Was ist denn los?
Hallo, Kleine. Moses Todd steht auf und streckt sich zu seiner vollen Holzfällerhöhe.
Wenn du einen Schritt machst, bring ich dich um. Temple zielt mit ruhiger Hand auf seinen Kopf.
Das werden Sie nicht, sagt Mrs. Grierson. Ich weiß nicht, worum es hier geht, aber …
James unterbricht sie. Richard, bring Großmutter nach oben.
Aber was ist denn?, wiederholt Richard.
Verdammt, Richard, mach es einfach.
Richard schrumpft wie ein ängstlicher Dachs zu einem Ball zusammen, doch er nimmt seine Großmutter am Arm und führt sie aus dem Salon.
Sie
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