Nach dem Ende
ein Knie auf die Brust und drückt ihm die Schrotflinte der Länge nach über die Kehle.
Und jetzt erklär ich dir, wie ich mir das vorstelle. Zuerst hol ich mir meine zwei Kübel Beeren aus dem Schuppen, wie ausgemacht. Zweitens geh ich hinter zum Hühnerstall und sammle ein Dutzend Eier ein für die Arbeit, die Maury für dich erledigt hat. Drittens schnapp ich mir einen Krug von deiner Limonade – als Ausgleich, damit ich dir nich mehr böse sein muss, weil du dich so danebenbenommen hast. Kapiert?
Er nickt, immer noch würgend und ächzend. Sie steht auf und steigt rückwärts die Verandastufen hinunter. Ich würde vorschlagen, du bleibst einfach noch ein bisschen liegen, bis du wieder Luft kriegst. Was hältst du davon?
Neben dem Schuppen hackt der Hüne noch immer mit träger Präzision.
Maury, ruft sie. Maury! Es reicht schon. Wir machen uns wieder auf die Socken.
Später im Auto stellt sie einen Kübel auf Maurys Schoß.
Iss. Schmeckt dir bestimmt. Kannst den ganzen Kübel verputzen, wenn du magst – is für dich. Ich hab meinen eigenen. Los.
Sie steckt sich eine Beere in den Mund, um es ihm vorzuführen.
Mmm. Is schon ewig her, dass ich zuletzt Brombeeren gegessen hab. Alles in allem is dieser Albert zwar ein Gauner, aber seine Früchte hält er in Schuss. Na mach schon, nimm eine.
Maury nimmt eine Beere in den Mund und zieht ein Gesicht. Er sperrt den Mund weit auf, wie in der Hoffnung, dass das Ding von allein davonfliegen könnte.
Was is los, schmeckt’s dir nich? Du hast wirklich kein Gefühl für die feineren Sachen im Leben, das muss ich sagen, Dussel. Da solltest du echt noch an dir arbeiten. Na gut, spuck sie schon aus. Hier hast du einen Lappen. Musst nicht immer so eine Schweinerei veranstalten bei allem, was du machst.
Er spuckt die Beere aus und scheuert sich mit dem Lappen über die Zunge, doch auch danach windet er sich noch und gibt ein leises Wimmern von sich, wie Weinen, nur ohne Tränen.
Also, jetzt is mal wieder Ruhe.
Leise und gedehnt setzt sich das Wimmern fort.
Ruhe jetzt, hab ich gesagt. Herrgott nochmal, ich hab dich doch nich vergiftet. Da, trink was von der Limonade. Die magst du bestimmt. Aber mach den Krug nich ganz leer, sonst lass ich dich am Straßenrand stehen. Kapiert, Maury?
Er trinkt, und das Wimmern hört auf. Sein Blick wird wieder leer.
Mann, Maury, du kannst einem ganz schön auf die Nerven gehen mit deinem ewigen Geflenne. Hoffentlich wissen Jeb und Jeanie Duchamp, was sie mit dir anstellen sollen. Die sind nämlich deine letzte Chance. Egal, was is, ich setz dich dort ab.
Sie fahren weiter. Sie achtet darauf, dass die untergehende Sonne vor ihr und die aufgehende Sonne hinter ihr bleibt. Auf manchen Abschnitten des Highways kann man richtig aufdrehen, aber es kann einem genauso passieren, dass man stecken bleibt in einem Gewirr aus eingestürzten Überführungen und alten Grabhügeln aus Metall und zerfetzter Sitzpolsterung, die von Massenunfällen übrig sind.
Manchmal ist es besser, auf den Nebenstraßen zu bleiben, wo man eher eine Möglichkeit zum Ausweichen findet.
Und obwohl sie weiß, dass es unmöglich ist, wartet sie nur darauf, im Rückspiegel Moses Todds schwarzen Wagen zu bemerken, der ihr wie ein Bluthund im Nacken sitzt.
Mississippi gehört zu den Wörtern, die sie erkennt, wenn sie sie sieht. Die vielen Kringel in einer Reihe und dazwischen die senkrechten Balken. Als sie auf ein Schild mit der Aufschrift Mississippi stößt, wundert sie sich nicht. Entlang den Straßen sind die Bäume von Kudzu überwuchert, als wäre eine grüne Decke über alle Formen der Erde geworfen worden. Beim Durchqueren von Dörfern erblickt sie gekippte Baumhäuser mit verrotteten Böden, umgefallene Plastikrutschen in Vorgärten, ganze Gemeinden, über denen der starke Geruch von Geißblatt und Eisenkraut hängt. Anderswo an unversehrten Nebenstraßen sind öde Anbauflächen längst von Wildblumen und Unkraut zurückerobert worden und dienen als Weide für reiterlose Pferdeherden und muhende Kühe, deren Silhouetten sich am hügeligen Horizont abzeichnen.
Unmittelbar vor dem Zentrum eines Ortes in Mississippi stoßen sie auf ein großes Marmorgebäude mit Säulen wie bei einer Plantagenvilla, nur stoischer. Die Eingangstür ist fest verschlossen, also gehen sie nach hinten und finden ein Fenster, das hoch genug über dem Boden ist, um Schaben abzuhalten. Sie weist Maury an, eine Mülltonne darunterzuschieben, damit sie hinaufklettern und einsteigen
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