Nach dem Ende
Welt. Du denkst dir, okay, die Hölle is mein Zuhause.
Sie reißt das Messer hoch und schlägt zu.
Bevor sie wieder nach oben geht, tritt sie in den Salon, wo Moses Todd noch immer an den Stuhl gefesselt ist.
Willst du mich jetzt doch lieber umbringen?, erkundigt er sich.
Nein. Möcht nur was von dir wissen.
Schieß los.
Hast du manchmal Fragen – ich meine große Fragen –, auf die du keine Antwort findest?
Klar.
Ich rede jetzt von Fragen, die du jahrelang mit dir rumschleppst.
Ich weiß, von welchen Fragen du redest.
Und was machst du damit?
Er zuckt die Achseln. Nicht viel. Ein paar beantworten sich nach einer Weile von selbst. Über manche denkt man irgendwann gar nicht mehr nach. Und einige sammeln sich an.
Das hilft mir auch nich weiter.
Moses Todd lächelt und saugt die Lippen ein. Sein Bart macht ein Geräusch wie eine Bürste auf Beton.
Hör auf mit dem Getue, Kleine. Du weißt es genauso gut wie ich. Geh raus unter den Himmel und schau dich um: Die Antworten sind überall. Warum stromerst du denn sonst durch die Gegend?
Weil ich vor dir davonlaufe.
Von wegen – zumindest tust du das nicht so schnell und zielstrebig, wie du könntest. Du weißt ganz genau, dass du da draußen nach den Antworten suchen musst – auch wenn sie nicht so leicht zu finden sind. Und da bist du schon schlauer als die meisten Leute.
Seine Miene verändert sich, und er wirft ihr einen verschwörerischen Blick zu.
Hey, wenn du mich losbindest, können wir ja sehen, ob dir ein paar Antworten kommen, wenn ich dir die Daumen in die Luftröhre bohre.
Sie steht auf und überlegt, ob sie ihm eine knallen soll, aber eigentlich möchte sie lieber nicht wissen, wie sich dieser Bart anfühlt.
Bis später, Mose.
Verlass dich drauf, Kleine.
Hast du es getan?, fragt James Grierson, als sie die Bibliothek betritt.
Ja.
Sein Gesichtsausdruck erinnert an einen toten Baum, aus dem jeder Saft gewichen ist. Dann fährst du jetzt also.
Ja. Und du passt auf Mose auf, bis ich verschwunden bin? Ich will nich, dass er auf dumme Gedanken kommt.
Ich pass auf ihn auf.
Also dann. Sie wendet sich zum Gehen.
Hör mal. Er rutscht vor zum Sofarand. Hör zu, ich muss dir was sagen.
Was?
Ich … worum es mir geht … Ich hab heute Abend meinen Vater verloren.
Sie schaut ihn an, eine tragische Gestalt, heimgesucht von qualvollen Vorstellungen.
Du kommst schon drüber weg, James. Jedes Haus braucht einen Mann. Und der bist jetzt du.
Stimmt. Er gluckst vor sich hin.
Damit ist alles gesagt. Sie öffnet die Tür und ist schon fast draußen, da fällt ihr etwas sein. Der Zettel, den der Dussel in der Tasche hatte. Nachdenklich hält sie inne. Eine Stimme aus ihrem Innern flüstert ihr zu, die Sache auf sich beruhen zu lassen und sich nicht in Dinge einzumischen, die sie nichts angehen. Aber es gibt auch eine andere Stimme.
Sie kehrt um und steuert wieder auf James Grierson zu.
Noch was. Sie reicht ihm den Zettel. Kannst du das lesen?
Er schaut ihn an. Was ist das?
Laut, fordert sie ihn auf. Kannst du mir das bitte vorlesen?
Warum?
Einfach ein Gefallen, okay?
Er vertieft sich in das Papier und sagt dann:
Hallo! Ich heiße Maury und kann keiner Fliege etwas zuleide tun. Meine Großmutter liebt mich und würde sich gern immer um mich kümmern, aber wahrscheinlich lebt sie schon nicht mehr. Ich habe Verwandte im Westen. Wenn Sie mich finden, könnten Sie mich bitte zu ihnen bringen? Gott wird es Ihnen danken!
Jeb und Jeanie Duchamp
442 Hamilton Street
Point Comfort, Texas
Verdammich, flüstert sie.
Und so verengen sich die Wege für die Herausforderer des Schicksals. Sie denkt an Malcolm, den eisernen Riesen, die Bauwerke früherer Generationen, und das Rumoren in ihrem Bauch ist gemeiner als ein Teufel oder ein Fleischsack. Die Stimme Gottes spricht mit Farben zu ihr, die nicht die ihren sind.
Sie hätte es lassen sollen.
Sie seufzt.
Also gut, sagt sie. Kannst du mir die Adresse bitte nochmal vorlesen?
Zweiter Teil
8
S ie pflückt von acht Uhr morgens bis um zehn. Manchmal hält sie inne, um sich gerade aufzurichten und über die Felder zu Maury zu spähen, der Holz hackt, wie sie es ihm beigebracht hat. Seine große Gestalt beugt sich über den Klotz, auf den er die Holzscheiben legt. Er hebt die Axt über den Kopf und lässt sie mit dem ganzen Gewicht seines mineralischen Selbst gleichmäßig, aber nicht zu schnell nach unten fahren. Sie wischt sich den Schweiß von der Stirn und fächelt sich mit dem Panamahut Luft zu.
Weitere Kostenlose Bücher