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Nach dem Ende

Nach dem Ende

Titel: Nach dem Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alden Bell
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Nächste dran, einfach so zum Spaß. Aber zuerst kannse sich noch anschauen, was ihr Schoßhund unter der Nadel macht.
    Royal lächelt und leckt sich mit der Zunge über die Zähne. Er öffnet Temples Zelle. Raus mit dir, Süße, jetzt wird’s lustig.
    Fass mich bloß nich an. Sie wird ganz starr.
    Aber er stürzt mit seinem massigen Körper durch die Tür, packt sie an den Haaren und dreht ihren Kopf um, so dass sie entweder mitgehen oder sich den Schädel abreißen lassen kann wie einen Flaschendeckel.
    Macht, was ihr wollt, ruft Moses Todd aus seiner Zelle, aber wenn ihr sie umbringt, lass ich euch in der Hölle schmoren.
    Royal zerrt sie an den Haaren zur anderen Seite des Raums und stellt sie so hin, dass sie den Stuhl mit Maury darauf vor sich hat. Wimmernd starrt er sie mit seinen leeren, verständnislosen Augen an.
    Ruhig, Maury. Alles in Ordnung. Sie tun mir nich weh.
    Royal drückt sie mit dem Rücken an sich, eine Hand um ihren Arm geklammert, den er so fest nach oben stößt, dass er ihr fast die Schulter ausrenkt. Die andere Hand ist noch immer in eine dicke Haarflechte verkrallt und schiebt ihren Kopf auf dem Hals hin und her wie bei einer Marionette. Lachend zieht er ihr Gesicht ganz nah an seins, und sie riecht seinen ranzigen Atem und sieht die kleinen Risse, wo die Haut sich vom Schädel schält. Sie kann sogar das Kreisen des Augapfels in der gallertartigen Höhle hören.
    Du bist das Monster, zischt er. Du bist das Monster. Ich kau dir die Lider ab, dann könn wir uns anstarren, und dann wirste schon sehen, wer das Monster is.
    Wieder rupft er an ihrem Haar und dreht ihren Kopf zu dem Stuhl, auf dem Maury leise vor sich hin jammert – ein eindringliches, schwaches Klagen wie das einer Kreatur, die das Gleißen des unantastbaren Mondes nicht erträgt.
    Er wehrt sich nicht, als Bodie ihn niederdrückt und Doc die Spritze hebt.
    Kaum hörbar murmelt sie etwas vor sich hin. Auch für sie selbst ist es nur ein Flüstern, und ein anderer Teil von ihr beugt sich weit vor, um die Worte zu verstehen. Wie eine Botschaft von einem anderen Stern, und sie kann sie nicht entziffern. Wieder spricht sie sie aus, ein wenig lauter diesmal, aber noch immer kann sie es nicht erfassen.
    Was war das?, fragt Royal. Was sogst du?
    Sie denkt an tausend Dinge – Wasserfälle und Leuchttürme und Plattenspieler und umherziehende Jäger und das ohrenbetäubende Zirpen der Zikaden im trockenen Gras der Prärie. Sie denkt an hoch aufgetürmte Leichen und all die toten Wesen, die sich noch bewegen, und den starken Regen, der den Schlamm und Müll in alle Winkel und Ritzen der Welt treibt, und sie denkt an Flugzeuge und kleine Jungen und erwachsene Männer mit zusammengebissenen Zähnen und Bärten und an andere, die leise vor sich hin wimmern, immer weiter und weiter, ohne Ende, außer dir fällt das richtige Lied zum Singen ein und du erfüllst das Auto mit deiner Stimme, damit er sein eigenes lautes Weinen nicht hören muss.
    Es is nich meine Aufgabe, ihn zu retten.
    Was sogtse?, fragt Bodie. Er und Doc schauen sie jetzt beide an.
    Macht nur, ruft sie. Mir egal. Is nich meine Aufgabe, ihn zu retten.
    Und sie denkt an eiserne Riesen – große Eisenmänner mit Zylindern, deren Hände auf Ölbohrtürmen ruhen, und sie denkt an den Zorn, der ihr wie Glut oder Säure die angespannten Eingeweide verbrennt. Eine Blindheit, die Menschen dazu bringt, Gräueltaten zu begehen, ein animalischer Rausch im Dschungel des Bewusstseins.
    Sie war schon einmal dort, und sie hat versprochen, nie wieder hinzugehen. Gott hat ihr Versprechen gehört. Er hat ihr die Insel und die weite See gezeigt, den Frieden, so rein und einsam, dass er sich weiter erstreckte als alles andere.
    Es is nich meine Aufgabe, ihn zu retten.
    Diesmal spricht sie es laut aus.
    Es is nich meine Aufgabe, ihn zu retten.
    Sie sogt, es is nich ihre Aufgabe, ihn zu retten, wiederholt Royal.
    Hab’s gehört, knurrt Bodie.
    Was meintse damit?
    Sie meint, erklärt Moses Todd ruhig, dass Überleben kein Mannschaftssport ist.
    Aber das alles hört sie nicht, weil der Regen in ihren Ohren schon so heftig niederprasselt, und der Eisenmann, Symbol für Fortschritt und Stärke, ragt vor ihr auf, und sie kniet neben einem kleinen Jungen, drückt ihn an sich. Und sie sagt zu der Gestalt des kleinen Jungen, die kein kleiner Junge mehr ist: Malcolm, es tut mir leid, Malcolm, Malcolm, es tut mir leid, die Flugzeuge fliegen, Malcolm, es tut mir leid, Malcolm, schau dir den Riesen an,

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