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Nach dem Ende

Nach dem Ende

Titel: Nach dem Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alden Bell
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Toten im Zimmer womöglich darauf erpicht, ihre Geheimnisse zu erlauschen. So hätte es nich sein müssen. Nich so viel. In mir steckt ein Teufel.
    Komm her, fordert Moses Todd sie auf.
    Sie weiß nicht, was sie sonst tun soll, also tritt sie vor die Gitterstäbe.
    Er streckt den Arm aus und legt ihr die Finger auf die Wange. Mit dem Daumen reibt er über ihre blutverschmierte Haut und hält ihn hoch, um ihr den Fleck zu zeigen. Siehst du, es geht weg.
    Sie nickt und holt einmal tief Luft. Dann lässt sie den Blick noch einmal durch den Keller schweifen. Also gut. Sie hat das Gefühl, in einen Vertrag mit der Natur eingewilligt zu haben, bloß dass sie nicht weiß, was drinsteht, weil sie nicht lesen kann.
    Hör zu. Moses weiß, dass sie gleich verschwinden wird, und schlägt nun einen pragmatischen Ton an. Ich kann dir nicht versprechen, dass ich dich nicht umbringe. Das wäre eine Lüge, und Lügen kann ich nicht ausstehen. Aber ich kann dir einen Handel anbieten, auf den du wahrscheinlich nicht eingehen wirst, weil du zu schlau bist. Lass mich aus der Zelle, und ich geb dir vierundzwanzig Stunden Vorsprung. Du hast mein Wort.
    Sie mustert ihn eine Weile. Hast du den Leuten was getan?
    Welchen Leuten?
    Den Griersons? Hast du ihnen was getan?
    Kleine, du hast ein völlig falsches Bild von mir, wenn du glaubst, ich vergreif mich an netten Menschen. Die alte Dame hat mir sogar ein Sandwich für die Reise gemacht.
    Das is kein Spiel, Mose.
    Du meinst, ich will mit dir raufen, wo du noch ganz glitschig bist von deinem Gemetzel? Auf dem Sandwich war Schinken, mit Senf und Tomaten aus ihrem eigenen Garten.
    Sie mustert ihn von der Seite. Er hat sie noch nie angelogen, das weiß sie. Hab was rausgefunden über dich, sagt sie.
    Was denn?
    Das Auto. Das Auto, mit dem ich von Florida bis hierher gefahren bin. Du hast einen Peilsender drin. Stimmt doch, oder? Deswegen kann ich dich nich abschütteln.
    Mit einem Hundeblick grinst er sie an und streicht sich über den Bart. Sie haben in alle Wagen Sender eingebaut. Die Frau, die ihn dir gegeben hat, Ruby, sie hat nichts davon geahnt.
    Aha, hab ich’s doch gewusst. So ein guter Spurenleser bist du nämlich gar nich.
    Er lacht, herzlich und bärenhaft. Ich werd dich trotzdem finden. Wenn die Zelle hier nicht mein Grab ist, finde ich dich. Verlass dich drauf, Sarah Mary Williams. Ob mit oder ohne Mutanten, wir haben noch immer eine Rechnung offen.
    Sie nickt. Ich weiß.
    Ihre Blicke treffen sich, und möglicherweise erblicken beide ein unheimliches Zerrbild von sich selbst – als wären sie vor einen verbogenen Karnevalsspiegel getreten.
    Mit einem Seufzen wendet sie sich ab. Sie beugt sich über Bodies Leiche, packt das Schlachtermesser am Griff und zerrt, bis es zwischen den Rippen herausgleitet. Moses schaut sie an, als sie ihm das Messer reicht.
    Hier, sagt sie.
    Er bewegt sich nicht. Sitzt mit dem Rücken an die Wand gelehnt und fixiert sie. In seinem Gesicht liegt etwas, das ihr nicht behagt. Mit Hass kann sie umgehen, mit Ablehnung kommt sie klar. Bloß Zuneigung kann sie nicht ertragen.
    Den Schlüssel geb ich dir nich, erklärt sie. Und das Messer hat nix zu bedeuten. Du kriegst eine Chance zum Kämpfen, aber ich hoffe, dass sie dir das Licht ausblasen, kapiert?
    Er erhebt sich, und ohne eine Miene zu verziehen, staubt er sich die Hände ab und nimmt ihr das Messer ab.
    Ich rette dich nich, sagt sie. Das heißt nich, dass ich dich rette. Wenn du irgendwie da rauskommst und mich aufspürst, dann bring lieber eine richtige Wut mit – deine Sympathie kannst du dir sonst wohin stecken.
    Er nickt. Sein Blick hängt an ihr, als wäre er gerade kurz vor dem Ende eines Buches und würde sich durch nichts vom Lesen ablenken lassen.
    Ich rette dich nich, wiederholt sie, obwohl sie es gar nicht will und obwohl es für sie mit jedem Mal weniger nach einem Schwur und mehr nach einer Bitte klingt. Ich rette dich nich, kapiert?
    Seine Augen, brutal und tief und sogar väterlich. Dann spricht er, und es hört sich an, als würde er einen Vertrag unterschreiben: kapiert.
    Sie wendet sich ab, doch bevor sie an der Treppe ist, ruft ihr Moses nach.
    Noch was.
    Sie stoppt zwar, dreht sich aber nicht um.
    Seine Stimme hat etwas Herausforderndes, als wollte er sie herabsetzen. Ich hab das Böse erlebt, Kleine, und du bist es nicht.
    Was bin ich dann? Noch immer schaut sie ihn nicht an. Sie wartet einen Moment, und als er nicht antwortet, steigt sie die Treppe hinauf und spürt bis ganz oben

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