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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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die Sonne erst mal hinter den Bäumen ist, dauert's keine zwei Sekunden, bis es eiskalt wird.«
    »Ich hab's kapiert«, fauchte Isabel. Man hörte ein Rascheln. »Ich ziehe gerade meinen Mantel an. Ich gehe jetzt raus. Hörst du mich noch? Ich bin jetzt draußen. Ich friere mir den Hintern ab für dich. Ich bin jetzt im Vorgarten. Ich laufe über den Rasen, auf den mein Hund immer gepinkelt hat, bevor mein bescheuerter Bruder ihn aufgefressen hat.«
    Paul lächelte schwach.
    »Kannst du dich ein bisschen beeilen?«, drängte ich.
    »Ich renne jetzt zum ersten Schuppen. Jetzt rufe ich ihn. Sam! Sam! Bist du da drin? Ich höre nichts. Wenn er sich in einem dieser Schuppen schon in einen Wolf verwandelt hat und mir an die Kehle geht, sobald ich ihn rauslasse, sorge ich dafür, dass meine Familie dich verklagt!«
    Ich hörte ein dumpfes Rumpeln. »Verdammt, die Tür klemmt.« Noch ein Rumpeln. »Sam? Wolfsjunge? Bist du da drin? Im Rasenmäherschuppen ist nichts. Wo ist Jack eigentlich gerade, wenn er so was hier angerichtet hat?«
    »Hier. Ihm geht's fürs Erste gut. Hörst du irgendwas?«
    »Ich bezweifle, dass es ihm gut geht. Der hat echt 'nen Knacks abgekriegt, Grace. Im Kopf, meine ich. Und nein, ich hätte es dir gesagt, wenn ich was gehört hätte. Ich gehe jetzt zum nächsten.«
    Paul legte den Handrücken an die Fensterscheibe über der Spüle und zuckte zusammen. Er hatte recht. Es wurde zu kalt.
    »Ruf noch mal Sam an«, bat ich Beck verzweifelt. »Sag ihm, er soll schreien, damit sie ihn hören kann.«
    Beck nahm das Telefon, drückte eine Taste und hielt es sich ans Ohr.
    Isabel klang ein bisschen außer Atem. »Ich bin jetzt am nächsten Schuppen. Sam! Bist du da drin? Hallo?« Man hörte ein kaum wahrnehmbares Quietschen, als sie die Tür öffnete. Dann nichts. »Hier ist er auch nicht, es sei denn, er hat sich in ein Fahrrad verwandelt.«
    »Wie viele davon gibt es noch?« Warum konnte ich nicht selbst dort sein, bei den Culpepers, statt Isabel? Ich wäre schneller als sie. Ich würde mir die Lunge aus dem Hals schreien, um ihn zu finden.
    »Hab ich dir doch gesagt. Noch vier. Aber nur zwei davon sind hier in der Nähe. Die anderen sind Scheunen, die stehen auf dem Feld hinter dem Haus.«
    »Er muss in einem von den näheren sein. Er hat gesagt, es sei ein Schuppen.« Ich warf einen Blick zu Beck hinüber, der immer noch das Telefon am Ohr hatte. Er sah mich an und schüttelte den Kopf. Keine Antwort. Sara, warum nimmst du nicht ab?
    »Ich bin jetzt am Gartenhaus. Sam! Sam, ich bin s, Isabel! Wenn du ein Wolf bist, bring mich bitte nicht um, ja?« Ich konnte ihren Atem durchs Telefon hören. »Diese Tür klemmt auch. Ich trete mit meinem teuren Designerschuh dagegen und das kotzt mich an.«
    Beck pfefferte sein Handy auf die Theke und drehte sich weg von Paul und mir. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Die Bewegung erinnerte mich so sehr an Sam, dass es mir einen Stich versetzte.
    »Ich hab sie aufgekriegt. Bah, hier stinkt's. Und hier liegt überall Müll. Hier ist nichts - oh!« Sie hielt inne und man hörte nur ihren Atem durchs Telefon, der schneller ging als zuvor.
    »Was ist? Was ist?«
    »Warte mal eben - halt den Mund - ich ziehe meinen Mantel aus. Er ist hier. Sam. Sam, sieh mich an. Sam, ich hab gesagt, du sollst mich ansehen, du Idiot. Nein, du verwandelst dich jetzt nicht in einen Wolf! Wehe, du tust ihr das an.«
    Langsam rutschte ich an der Küchentheke hinunter, das Telefon noch immer ans Ohr gedrückt. Pauls Gesicht zeigte keine Regung; er sah mich einfach nur an, wie ein stiller, dunkler Wolf.
    Ich hörte ein Klatschen und ein gedämpftes Fluchen, der Wind heulte in den Hörer. »Ich bringe ihn jetzt rein. Gott sei Dank sind meine Eltern heute Abend nicht da. Ich ruf dich in ein paar Minuten zurück, ich brauche jetzt beide Hände.«
    Das Telefon in meinen Händen war still. Ich sah zu Paul auf, der mich immer noch ansah, und fragte mich, was ich zu ihm sagen sollte, aber ich hatte das Gefühl, er hätte es sowieso schon gewusst.

  Kapitel 51 - Grace (3°C)
    D er Hagel tanzte auf meiner Windschutzscheibe, als ich in die Auffahrt der Culpepers einbog, und die Kiefern schienen alles Licht der Scheinwerfer zu schlucken. In der Dunkelheit war das wuchtige Haus kaum zu erkennen, nur im Erdgeschoss waren ein paar Fenster erleuchtet. Dorthin fuhr ich mit dem Bronco, als steuerte ich ein Schiff auf den Leuchtturm an der Küste zu, und parkte neben Isabels weißem Geländewagen. Keine

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