Nach Dem Sommer
ungeschützten Körper vor weiteren Überraschungen zu bewahren. Frostige Luft drang durch den Spalt in der Tür, sickerte in meinen Körper ein wie Wasser. Ich suchte nach dem Türgriff, doch es gab keinen, nur raues Holz überall. Ein Splitter blieb mir im Finger stecken und ich fluchte leise. Dann lehnte ich mich mit der Schulter an die Tür und drückte dagegen. Bitte , dachte ich, wenn es auch nur ein bisschen Gerechtigkeit auf der Welt gibt, dann geh auf
Nichts.
Kapitel 50 - Grace (4°C)
I ch nahm meinen Rucksack. »Wir sind da.«
Es kam mir lächerlich vor, dass Becks Haus genauso aussah wie damals, als Sam mich hierhergebracht hatte und wir zusammen in den goldenen Wald gegangen waren; die Umstände waren diesmal so völlig anders. Aber so war es. Der einzige Unterschied war, dass diesmal Becks wuchtiger Geländewagen in der Auffahrt stand.
Jack lenkte den Wagen bereits an den Straßenrand. Er zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und sah mich an, seine Augen funkelten misstrauisch. »Du steigst erst nach mir aus.« Ich gehorchte und wartete, bis er um das Auto herumgelaufen war und meine Tür aufmachte. Ich rutschte von meinem Sitz und er packte mich fest am Arm. Seine Schultern wirkten unnatürlich verzogen und sein Mund stand ein Stück offen - ich glaube nicht, dass ihm das überhaupt bewusst war. Wahrscheinlich hätte ich Angst haben müssen, dass er mich angriff, aber alles, woran ich denken konnte, war: Er wird sich verwandeln und dann wissen wir nicht, wo Sam ist, bis es zu spät ist.
Ich betete, dass Sam irgendwo im Warmen war, irgendwo in Sicherheit vor dem Winter.
»Beeil dich«, drängte ich und zog ihn an meinem Arm, den er noch immer umklammert hielt, im Laufschritt hinter mir her auf die Haustür zu. »Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
Wie versprochen hatte Beck nicht abgeschlossen. Jack stieß mich als Erste ins Haus, bevor er die Tür hinter uns zuschlug. Eine schwache Note von Rosmarin stieg mir in die Nase - jemand hatte gekocht, und aus irgendeinem Grund fiel mir Sams Anekdote über die Steaks ein, die er für Beck gemacht hatte -, dann hörte ich hinter mir einen Schrei und ein Knurren.
Beide Laute kamen von Jack. Das hier hatte nichts mit dem lautlosen Kampf gemein, wie ich ihn von Sam kannte, wenn er versuchte, ein Mensch zu bleiben. Das hier war aggressiv, wütend, laut. Jacks Mund verzog sich, dann brach eine Schnauze aus seinem Gesicht hervor, die Haut wechselte von einem Augenblick zum anderen die Farbe. Er streckte die Hand nach mir aus, als wollte er mich schlagen, doch seine Hände krümmten sich zu Pfoten zusammen, mit harten, dunklen Krallen. Vor jeder wesentlichen Veränderung wölbte seine Haut sich einen Moment lang glänzend auf, wie eine Gebärmutter, die sich über ein grausiges Junges spannte.
Ich starrte auf das T-Shirt, dessen Reste noch am Körper des Wolfs hingen. Ich konnte meinen Blick nicht davon wenden. Es war das einzige Zeichen dafür, dass dieses Tier tatsächlich gerade noch Jack gewesen war, das mein Verstand akzeptierte.
Dieser Jack war genauso wütend, wie er eben im Auto gewesen war, aber jetzt war sein Zorn auf kein Ziel mehr gerichtet, kein menschlicher Verstand kontrollierte ihn mehr. Seine Lippen zogen sich zurück und entblößten gefletschte Zähne, doch er gab keinen Laut von sich.
»Zurück!«
Ein Mann stürmte in den Flur, überraschend wendig für seine Größe, und rannte direkt auf Jack zu. Jack, überrumpelt, kauerte sich in Verteidigungsstellung nieder und der Mann landete mit seinem ganzen Gewicht auf dem Wolf.
»Runter!«, zischte der Mann, und ich zuckte zusammen, bevor ich verstand, dass er mit dem Wolf redete. »Bleib unten! Das hier ist mein Haus! Du hast hier nichts zu sagen!«
Er hatte eine Hand um Jacks Schnauze gelegt und schrie ihm mitten ins Gesicht. Jack fiepte durch seine aufeinandergepressten Zähne und Beck zwang seinen Kopf auf den Boden. Becks Blick wanderte kurz zu mir, und obwohl er gerade mit einer Hand einen riesigen Wolf zu Boden drückte, war seine Stimme völlig ruhig. »Grace? Kannst du mir kurz helfen?«
Ich hatte vollkommen reglos dagestanden und zugesehen. »Ja.«
»Schnapp dir die Ecke von dem Teppich unter ihm. Wir ziehen ihn ins Badezimmer. Das ist -«
»Ich weiß, wo es ist.«
»Gut. Also los. Ich versuche mitzuhelfen, aber ich kann mein Gewicht nicht von ihm herunternehmen.«
Gemeinsam schleppten wir Jack den Flur hinunter zum Badezimmer, in dem ich Sam in die Badewanne gesteckt
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