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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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fort. »Dabei weiß ich noch, dass ich dich als Wolf gesehen habe. Aber um mich zu tragen, musst du ein Mensch gewesen sein. Wie hast du das gemacht?«
    Ratlos zuckte er mit den Schultern. »Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, mich zu verwandeln. Genauso war es, als ich angeschossen wurde - da war ich auch ein Mensch, als du mich gefunden hast.«
    In meiner Brust flatterte etwas. Hoffnung? »Du kannst dich verwandeln, wenn du es willst?«
    »So ist das nicht. Es ist doch nur zwei Mal passiert. Danach hab ich es nie wieder hingekriegt, ganz egal, wie sehr ich auch wollte. Und ich wollte , das kannst du mir glauben.« Wie um das Gespräch zu beenden, stellte Sam den Bronco ab, und ich kramte meine Mütze aus dem Rucksack. Ich wartete auf dem Gehsteig, bis er abgeschlossen hatte.
    Sam ging hinten um das Auto herum und blieb wie angewurzelt stehen, als er mich sah. »Meine Güte, was ist denn das?«
    Mit Daumen und Zeigefinger schnipste ich gegen die bunte Bommel auf meinem Kopf. »In meiner Sprache nennt man das Mütze. Damit hält man seine Ohren warm.«
    »Meine Güte«, wiederholte Sam und kam näher, bis er direkt vor mir stand. Er nahm mein Gesicht in beide Hände und betrachtete mich. »Du siehst schrecklich süß damit aus.« Er küsste mich, warf noch einen Blick auf die Mütze und küsste mich dann wieder.
    Ich schwor mir, die Bommelmütze niemals zu verlieren. Sam hielt mein Gesicht noch immer zwischen den Händen; mit Sicherheit starrte uns nun schon die ganze Stadt an. Aber ich wollte mich noch nicht trennen und er gab mir noch einen Kuss, diesmal sanft wie eine Schneeflocke, kaum eine Berührung, dann ließ er mich los und nahm stattdessen meine Hand.
    Ich konnte gar nicht aufhören zu grinsen. Als ich schließlich meine Stimme wiederfand, fragte ich: »Okay, wohin gehen wir?« Es war so kalt, dass ich wusste, es musste in der Nähe sein; viel länger konnten wir nicht hier draußen bleiben.
    Sam verschränkte seine Finger fest mit meinen. »Zuerst in ein Grace-Geschäft. Ich bin schließlich ein Gentleman und lasse dir den Vortritt.«
    Ich kicherte, was mir gar nicht ähnlich sah, und Sam lachte, weil das auch ihm klar war. Ich war berauscht vor lauter Sam. Er führte mich vorbei an dem kahlen Betonhäuserblock bis zu einer kleinen Buchhandlung, The Crooked Shelf, in der ich sicher seit einem Jahr nicht mehr gewesen war. Das schien vielleicht seltsam, gemessen an den Mengen von Büchern, die ich verschlang, aber als arme Schülerin mit nicht gerade üppigem Taschengeld lieh ich mir meistens etwas aus der Bücherei aus.
    »Das ist doch ein Grace-Geschäft, oder nicht?« Ohne meine Antwort abzuwarten, hielt Sam schon die Tür auf. Der wunderbare Duft neuer Bücher schlug uns entgegen und erinnerte mich an Weihnachten. Meine Eltern schenkten mir immer Bücher zu Weihnachten. Mit einem melodischen Pling schlug die Tür wieder hinter uns zu und Sam ließ meine Hand los. »Wohin zuerst? Komm, ich kauf dir ein Buch. Ich weiß, dass du eins haben willst.«
    Beim Anblick all der Regale lächelte ich und atmete noch einmal tief ein. Hunderttausende von Seiten, die noch nie jemand umgeblättert hatte, warteten auf mich. Die Regale waren aus hellem, freundlichem Holz, voller Buchrücken in allen Farben. Auf den Tischen stapelten sich die Neuerscheinungen, ihre Umschläge glänzten im Licht. Neben der niedrigen Theke, hinter der der Kassierer saß und uns ignorierte, führte eine Treppe mit einem dicken weinroten Teppich hinauf in unbekannte Welten.
    »Hier möchte ich wohnen«, sagte ich.
    Sam sah mich mit unverhohlener Freude an. »Ich hab dir immer zugeschaut, wenn du auf der Schaukel gesessen und gelesen hast. Sogar beim schlimmsten Wetter. Wieso hast du eigentlich nicht drinnen gelesen, wenn es so kalt war?«
    Ich ließ den Blick über die unzähligen Bücherreihen gleiten. »Bücher sind wirklicher, wenn man sie draußen liest.« Ich biss mir auf
    die Unterlippe, meine Augen wanderten immer noch über die Regale. »Ich weiß gar nicht, wo wir zuerst hingehen sollen.«
    »Ich zeig dir etwas«, entgegnete Sam. So wie er es sagte, war es wohl nicht nur etwas , sondern ein echt tolles Etwas , das er mir schon den ganzen Tag hatte zeigen wollen. Wieder griff er nach meiner Hand und führte mich durch den Laden, am desinteressierten Kassierer vorbei die Treppe hinauf, deren Teppich das Geräusch unserer Schritte schluckte und nicht wieder hergab.
    Dort oben befand sich eine Galerie, nicht einmal halb so groß

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