Nach dem Sturm: Roman (German Edition)
länger, als unbedingt sein muss.«
Die Kellnerin kam und füllte Charlies Becher nach.
»Wir?«
Cohen nickte.
»Du weißt von dem Sturm, der jetzt anrückt, hm?«
»Genau wie alles Übrige auch.«
»Nee, nicht wie alles Übrige. Das soll was ganz anderes sein.«
»Wir sind schon zu lange hier unten, um uns über so was Sorgen zu machen.«
»Vielleicht. Aber ich hab Radio gehört, und sie haben immer wieder gesagt, dass der schlimmer wird als alle vorher. Ein Monstersturm.« Charlie nahm einen Schluck von seinem Kaffee. »Aber du hast recht. Ich mach mir keine Sorgen. Ich muss mich um den Jungen da oben kümmern. Wo kommt ihr unter?«
»Wir bleiben hier. Der Wirt sagt, er hat Zimmer im ersten Stock.«
»Das ist gut. Lauf nicht weg. Ich könnte Hilfe gebrauchen.«
»Ich vielleicht auch.«
Charlie stellte den Becher ab, griff in die Tasche und holte ein Bündel Scheine heraus. »Hier. Ich bezahl das Essen.« Er hielt Cohen das Geld hin, aber Cohen schob seine Hand beiseite.
»Spar dir deine Großzügigkeit auf, bis du mir mit Benzin und Ausrüstung aushelfen kannst. Ich will hier nicht länger als ein, zwei Tage bleiben.«
Charlie schob das Geld wieder in die Tasche und stand auf.
»Ich bin direkt dort drüben«, sagte er und deutete aus der Tür des Cafés. »Oberstes Stockwerk, mittleres Gebäude. Die Treppe ist hinter dem Haus. Aber schleich dich nicht an.« Charlie nahm sich eine Zigarette, stellte den Kragen hoch, verließ das Café und verschwand draußen in der Menge. Cohen sah ihm hinterher, und es kam ihm so vor, als würde er humpeln. Er sah ziemlich alt und erledigt aus. Mehr als sonst.
Cohen stand von der Theke auf, ging zur Sitznische und fragte die anderen, ob sie mit nach oben kommen wollten. Draußen donnerte es immer heftiger. Mehr Blitze waren zu sehen. Und mehr Applaus von den Leuten auf den Gehsteigen war zu hören, als wären sie mit dem Sturm zufrieden. Als würde er ihnen das bringen, was sie ersehnten.
Die beiden Zimmer waren ziemlich ähnlich. Schmutzigweiße Wände mit nicht zusammenpassenden Möbeln. Beistelltische, Kommoden und Betten schienen aus Haushaltsauflösungen zu stammen, der verkratzte Holzfußboden hatte sich an einigen Stellen verfärbt. Die Fenster gingen auf den großen Platz hinaus. In jedem Raum stand ein kleiner Tisch mit einem Stuhl vor dem Fenster, auf ihnen lag jeweils ein Stapel alter Zeitschriften. Ein kleiner Kristalllüster hing von der Decke. Das Badezimmer lag zwischen den Zimmern. Darin stand eine altmodische Badewanne. Das Waschbecken hatte orangefarbene Schlieren, weil der Wasserhahn schon seit Jahren tropfte. Die Kacheln an den Wänden waren rissig. Neben dem Waschbecken stand ein Regal mit Kerzen und Streichhölzern auf dem oberen Brett und Toilettenpapier und Handtüchern darunter.
Brisco rannte zu einem der Betten und sprang darauf herum. Mariposa ging ins Badezimmer und drehte den Wasserhahn auf. Das Wasser war kupferfarben, aber nach einer Weile klar. Sie wusch sich das Gesicht, ging ins andere Zimmer, zog den Mantel aus und ließ sich aufs Bett fallen.
Cohen und Evan gingen nach draußen zum Pick-up, luden ab, was wichtig war, und kamen zurück. Sie liefen nicht über den großen Platz, sondern schlichen hinter den Häusern entlang und klopften so lange an die Hintertür des Cafés, bis der Wirt ihnen aufmachte. Sie trugen die Waffen und die Munition sowie die Tüten mit den Kleidern herein. Der Wirt nickte nur, als er die Gewehre sah und Cohen ihm erklärte, er müsse sie halt irgendwo aufbewahren. Als sie wieder oben waren, schob Cohen die Waffen unters Bett des Zimmers, das er sich mit Mariposa teilte. Er deponierte die Schachteln mit der Munition in der untersten Schublade der Kommode und reichte Evan eine der beiden Pistolen.
»Ich will sie nicht«, sagte Evan.
»Du musst sie irgendwo aufbewahren.«
»Warum?«
»Herrje, Evan. Du weißt doch, warum. Weil jederzeit die Katastrophe über uns hereinbrechen kann.«
»Nimm die Patronen raus.«
»Die bringt nichts, wenn sie nicht geladen ist. Du musst ja nicht darauf schlafen. Versteck sie einfach irgendwo. Jetzt nimm sie.« Cohen hielt sie ihm hin, und Evan nahm sie und ging ins andere Zimmer, wo Brisco gerade den Fernsehapparat entdeckt hatte.
»Du kannst sie doch für ihn verstecken«, sagte Mariposa.
»Wenn ich sie verstecke, weiß er nicht, wo sie ist.«
Cohen legte die andere Pistole in die oberste Schublade der Kommode. »Siehst du, wo sie jetzt ist?«, fragte er. Sie
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